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irgend jemand zu Willen gewesen bin, und nach irgend einem andern verlange. Aber was thäte man nicht für eine Person, die man liebt und für einen Bassompierre? Um seinetwillen bin ich in das Haus gekommen, um eines Mannes willen, der durch seine Gegenwart diesen Ort ehrbar gemacht hat. Wollt Ihr mich noch einmal sehen, so will ich Euch bey meiner Tante einlassen.

Sie beschrieb mir das Haus aufs genaueste und fuhr fort: ich will Euch von zehn Uhr bis Mitternacht erwarten, ja noch später, die Thüre soll offen seyn. Erst findet Ihr einen kleinen Gang, in dem haltet Euch nicht auf, denn die Thüre meiner Tante geht da heraus. Dann stößt euch eine Treppe sogleich entgegen, die Euch ins erste Geschoß führt, wo ich Euch mit offnen Armen empfangen werde.

Ich machte meine Einrichtung, ließ meine Leute und meine Sachen vorausgehen und erwartete mit Ungeduld die Sonntags Nacht, in der ich das schöne Weibchen wieder sehen sollte. Um zehn Uhr war ich schon am bestimmten Orte. Ich fand die Thüre, die sie mir bezeichnet hatte, sogleich, aber verschlossen und im ganzen Hause Licht, das sogar von Zeit zu Zeit wie eine Flamme aufzulodern schien. Ungeduldig fing ich an zu klopfen, um meine Ankunft zu melden; aber ich hörte eine Mannsstimme, die mich fragte, wer draußen sey?

Ich ging zurück und einige Straßen auf und ab. Endlich zog mich das Verlangen wieder nach der Thüre. Ich fand sie offen und eilte durch den Gang die Treppe hinauf. Aber wie erstaunt war ich, als ich in dem Zimmer

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 2-25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/141&oldid=- (Version vom 1.8.2018)