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ein Gegenstand des allgemeinen Gesprächs und jeder erwartete ihre Bestrafung oder Befreyung je nachdem er ihre Handlungen entweder schalt oder billigte.

Unter die ersten gehörte der Geheimerath, dessen Argumente Karl’n am verdrießlichsten auffielen, wenn er den Verstand dieser Leute angriff, und sie einer völligen Unkenntniß der Welt und ihrer selbst beschuldigte.

Wie verblendet müssen sie seyn! rief er aus, als an einem Nachmittage das Gespräch sehr lebhaft zu werden anfing: wenn sie wähnen, daß eine ungeheure Nation, die mit sich selbst in der größten Verwirrung kämpft und, auch in ruhigen Augenblicken, nichts als sich selbst zu schätzen weiß, auf sie mit einiger Theilnehmung herunter blicken werde. Man wird sie als Werkzeuge betrachten, sie eine Zeitlang gebrauchen und endlich wegwerfen oder wenigstens vernachlässigen. Wie sehr irren sie sich, wenn sie glauben, daß sie jemals in die Zahl der Franzosen aufgenommen werden könnten.

Jedem der mächtig und groß ist erscheint nichts lächerlicher als ein kleiner und schwacher, der in der Dunkelheit des Wahns, in der Unkenntniß sein selbst, seiner Kräfte und seines Verhältnisses sich jenem gleich zu stellen dünkt, und glaubt ihr denn, daß die grosse Nation nach dem Glücke, das sie bisher begünstigt, weniger stolz und übermüthig seyn werde, als irgend ein anderer königlicher Sieger?

Wie mancher, der jetzt als Municipalbeamter mit der Schärpe herumläuft, wird die Maskerade verwünschen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)