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wenn er, nachdem er seine Landsleute in eine neue widerliche Form zu zwingen geholfen hat, zuletzt, in dieser neuen Form, von denen, auf die er sein ganzes Vertrauen setzte, niedrig behandelt wird. Ja es ist mir höchst wahrscheinlich, daß man bey der Uebergabe der Stadt, die wohl nicht lange verzögert werden kann, sie den unsrigen überliefert oder überläßt. Mögen sie doch alsdenn ihren Lohn dahin nehmen, mögen sie alsdenn die Züchtigung empfinden, die sie verdienen, ich mag sie so unpartheyisch richten als ich kann.

Unpartheyisch! rief Karl mit Heftigkeit aus: wenn ich doch dieß Wort nicht wieder sollte aussprechen hören! Wie kann man diese Menschen so geradezu verdammen? Freylich haben sie nicht ihre Jugend und ihr Leben zugebracht in der hergebrachten Form sich und andern begünstigten Menschen zu nützen. Freylich haben sie nicht die wenigen wohnbaren Zimmer des alten Gebäudes besessen und sich darinne gepflegt, vielmehr haben sie die Unbequemlichkeit der vernachlässigten Theile eures Staatspallastes mehr empfunden, weil sie selbst ihre Tage kümmerlich und gedrückt darin zubringen mußten; sie haben nicht, durch eine mechanisch erleichterte Geschäftigkeit bestochen, dasjenige für gut angesehen, was sie einmal zu thun gewohnt waren; freylich haben sie nur im Stillen der Einseitigkeit, der Unordnung, der Läßigkeit, der Ungeschicklichkeit zusehen können, womit eure Staatsleute sich noch Ehrfurcht zu erwerben glauben; freylich haben sie nur heimlich wünschen können, daß Mühe und Genuß gleicher ausgetheilt seyn möchten! Und wer wird leugnen, daß unter ihnen nicht wenigstens Einige wohldenkende und tüchtige Männer sich befinden, die, wenn sie auch

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/75&oldid=- (Version vom 1.8.2018)