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Laßt uns dahin übereinkommen, daß wir, wenn wir beysammen sind, gänzlich alle Unterhaltung über das Interesse des Tages verbannen? Wie lange haben wir belehrende und aufmunternde Gespräche entbehrt, wie lange hast du uns, lieber Karl, nichts von fernen Landen und Reichen erzählt, von deren Beschaffenheit, Einwohnern, Sitten und Gebräuchen du so schöne Kenntnisse hast. Wie lange haben Sie (so redete sie den Hofmeister an) die alte und neue Geschichte, die Vergleichung der Jahrhunderte und einzelner Menschen schweigen lassen, wo sind die schönen und zierlichen Gedichte geblieben, die sonst so oft aus den Brieftaschen unsrer jungen Frauenzimmer, zur Freude der Gesellschaft, hervorkamen, wohin haben sich die unbefangenen philosophischen Betrachtungen verloren? Ist die Lust gänzlich verschwunden, mit der ihr, von euren Spatziergängen, einen merkwürdigen Stein, eine, uns wenigstens, unbekannte Pflanze, ein seltsames Insekt zurückbrachtet, und dadurch Gelegenheit gabt, über den grossen Zusammenhang aller existirenden Geschöpfe wenigstens angenehm zu träumen? Laßt alle diese Unterhaltungen, die sich sonst so freywillig darboten, durch eine Verabredung, durch Vorsatz, durch ein Gesetz wieder bey uns eintreten, bietet alle eure Kräfte auf lehrreich, nützlich und besonders gesellig zu seyn, und das alles werden wir – und noch weit mehr als jetzt, benöthigt seyn, wenn auch alles völlig drunter oder drüber gehen sollte. Kinder versprecht mir das.

Sie versprachen es mit Lebhaftigkeit.

Und nun geht, es ist ein schöner Abend, geniesse ihn jeder nach seiner Weise und laßt uns beym Nachtessen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)