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seit langer Zeit zum erstenmal, die Früchte einer freundschaftlichen Unterhaltung geniessen.

So ging die Gesellschaft auseinander, nur Fräulein Luise blieb bey der Mutter sitzen: sie konnte den Verdruß, ihre Gespielin verloren zu haben, nicht so bald vergessen, und ließ Karl’n, der sie zum Spatziergange einlud, auf eine sehr schnippische Weise abfahren. So waren Mutter und Tochter eine Zeitlang still neben einander geblieben, als der Geistliche herein trat, der von einem langen Spatziergange zurückkam, und von dem was in der Gesellschaft vorgekommen war nichts erfahren hatte. Er legte Hut und Stock ab, ließ sich nieder und wollte eben etwas erzählen; Fräulein Luise aber, als wenn sie ein angefangnes Gespräch mit ihrer Mutter fortsetzte, schnitt ihm die Rede mit folgenden Worten ab.

Manchen Personen wird denn doch das Gesetz, das eben beliebt worden ist, ziemlich unbequem seyn. Schon wenn wir sonst auf dem Lande wohnten, hat es manchmal an Stoff zur Unterredung gemangelt, denn da war nicht so täglich wie in der Stadt ein armes Mädchen zu verläumden, ein junger Mensch verdächtig zu machen; aber doch hatte man bisher noch die Ausflucht: von ein paar grossen Nationen alberne Streiche zu erzählen, die Deutschen wie die Franzosen lächerlich zu finden und bald diesen bald jenen zum Jakobiner und Clubbisten zu machen; wenn nun auch diese Quelle verstopft wird; so werden wir manche Personen wohl stumm in unsrer Mitte sehen.

Ist dieser Anfall etwa auf mich gerichtet? mein Fräulein, fing der Alte lächelnd an, nun Sie wissen, daß ich

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/86&oldid=- (Version vom 1.8.2018)