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Für sich im Stillen mögen Sie wohl allenfalls manche Flasche Wein ausgetrunken und manche schöne Stunde des Tags verschlafen haben, fiel Luise ihm ein.

Ich habe nie, fuhr der Alte fort: auf das was ich thue viel Werth gelegt: denn ich weiß, daß ich gegen andern Menschen ein grosser Faullenzer bin; indessen hab’ ich doch eine Sammlung gemacht, die vielleicht eben jetzt dieser Gesellschaft, wie sie gestimmt ist, manche angenehme Stunde verschaffen könnte.

Was ist es für eine Sammlung? fragte die Baronesse.

Gewiß nichts weiter als eine skandaleuse Chronik, setzte Luise hinzu.

Sie irren sich, sagte der Alte.

Wir werden sehen, versetzte Luise.

Laß ihn ausreden, sagte die Baronesse: und überhaupt gewöhne dir nicht an, einem, der es auch zum Scherze leiden mag, hart und unfreundlich zu begegnen. Wir haben nicht Ursache den Unarten, die in uns stecken, auch nur im Scherze Nahrung zu geben. Sagen Sie mir, mein Freund, worinn besteht Ihre Sammlung? wird sie zu unsrer Unterhaltung dienlich und schicklich seyn? ist sie schon lange angefangen? warum haben wir noch nichts davon gehört?

Ich will Ihnen hierüber Rechenschaft geben, versetzte der Alte. Ich lebe schon lange in der Welt und habe immer

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)