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Die Horen - eine Monatsschrift, 1. Band

IV
Ueber Belebung und Erhöhung
des reinen Interesse für Wahrheit.

Vergebens erwartet man, durch irgend ein glückliches Ohngefähr die Wahrheit zu finden, wenn man sich nicht von einem lebhaften Interesse begeistert fühlt, mit Verläugnung alles andern ausser ihr, sie zu suchen. Es ist demnach eine wichtige Frage für jeden, der die Würde der Vernunft in sich behaupten will: was habe ich zu thun, um reines Interesse für Wahrheit in mir zu erwecken, oder wenigstens dasselbe zu erhalten, zu erhöhen, und zu beleben?

Wie jedes Interesse überhaupt, so gründet sich auch das Interesse für Wahrheit auf einen ursprünglich in uns liegenden Trieb. Unter unsern reinen Trieben aber ist auch ein Trieb nach Wahrheit. Niemand will irren, und jeder Irrende hält seinen Irrthum für Wahrheit. Könnte man ihm auf eine für ihn überzeugende Art darthun, daß er irre, so würde er sogleich den Irrthum aufgeben, und statt desselben die entgegengesetzte Wahrheit ergreifen.

Kommt etwas hinzu, das sich auf diesen Trieb bezieht; entdeckt man in unserm Fall eine Wahrheit als solche, oder erkennt einen Irrthum für einen Irrthum, so entsteht nothwendig ein Gefühl des Beifalls für die erstere, eine Abneigung gegen den letztern; und beides

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: Die Horen - eine Monatsschrift, 1. Band. Cotta, Tübingen 1795, Seite 1-79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/95&oldid=- (Version vom 3.4.2017)