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durch die Stadt zu scherzen, und sodann im Felde auf einem großen freyen Platz allerhand Spiele zu treiben, Kunststücke und Geschicklichkeiten zu zeigen, und in artigem Wettstreit ausgesetzte kleine Preise zu gewinnen.

Anfangs wohnte unser Seemann dieser Feyer mit Vergnügen bey; als er aber die Lebenslust der Kinder und die Freude der Eltern daran lange betrachtet und so viele Menschen im Genuß einer gegenwärtigen Freude und der angenehmsten aller Hoffnungen gefunden hatte, mußte ihm, bey einer Rückkehr auf sich selbst, sein einsamer Zustand äußerst auffallen. Sein leeres Haus fing zum erstenmal an, ihm ängstlich zu werden, und er klagte sich selbst in seinen Gedanken an.

O ich Unglückseliger! warum gehn mir so spät die Augen auf? Warum erkenne ich erst im Alter jene Güter, die allein den Menschen glücklich machen. So viel Mühe! so viele Gefahren! was haben sie mir verschafft? Sind gleich meine Gewölbe voller Waaren, meine Kisten voll edler Metalle, und meine Schränke voll Schmuck und Kleinodien; so können doch diese Güter mein Gemüth weder erheitern noch befriedigen. Je mehr ich sie aufhäufe, desto mehr Gesellen scheinen sie zu verlangen; Ein Kleinod fordert das andere, Ein Goldstück das andere. – Sie erkennen mich nicht für den Hausherrn; sie rufen mir ungestum zu: geh und eile, schaffe noch mehr unsresgleichen herbey! Gold erfreut sich nur des Goldes, das Kleinod des Kleinods: So gebieten sie mir schon die ganze Zeit meines Lebens, und erst spät fühle ich, daß mir in allem diesen kein Genuß bereitet ist. Leider jetzt, da die Jahre kommen, fange ich an zu denken und sage zu mir: du

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 4-44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_2-1795.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)