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zu und versuchte den Seitenstoß, der Deckel flog jedesmal auf und es war so gut, als wenn er den Schlüssel zum Pulte gehabt hätte.

Mit Heftigkeit suchte er nunmehr jede Vergnügung wieder, die er bisher hatte entbehren müssen. Er war fleißiger um seine Schöne; alles was er that und vornahm, war leidenschaftlicher; seine Lebhaftigkeit und Anmuth hatten sich in ein heftiges ja beynahe wildes Wesen verwandelt, das ihm zwar nicht übel ließ, doch niemanden wohlthätig war.

Was der Feuerfunke auf ein geladnes Gewehr, das ist die Gelegenheit zur Neigung, und jede Neigung, die wir gegen unser Gewissen befriedigen, zwingt uns ein Uebermaaß von physischer Stärke anzuwenden; wir handeln wieder als wilde Menschen, und es wird schwer, äußerlich diese Anstrengung zu verbergen.

Jemehr ihm seine innere Empfindung widersprach, destomehr häufte Ferdinand künstliche Argumente an einander und desto muthiger und freyer schien er zu handeln, je mehr er sich selbst von einer Seite gebunden fühlte.

Zu derselbigen Zeit waren allerley Kostbarkeiten ohne Werth Mode geworden. Ottilie liebte sich zu schmücken; er suchte einen Weg, sie ihr zu verschaffen, ohne daß Ottilie selbst eigentlich wußte, woher die Geschenke kamen. Die Vermuthung ward auf einen alten Oheim geworfen, und Ferdinand war doppelt vergnügt, indem ihm seine Schöne ihre Zufriedenheit über die Geschenke

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 7-62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_3-1795.pdf/70&oldid=- (Version vom 1.8.2018)