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stand, denn sie hätte beynahe auf den Schatten des Riesen getreten, der sich über die Ebene bis zu ihr hin erstreckte, und nun sah sie erst den gewaltigen Riesen, der sich im Fluß gebadet hatte, aus dem Wasser heraussteigen und sie wußte nicht, wie sie ihm ausweichen sollte. Sobald er sie gewahr ward, fing er sie scherzhafft zu begrüßen an und die Hände seines Schattens griffen sogleich in den Korb. Mit Leichtigkeit und Geschicklichkeit nahmen sie ein Kohlhaupt, eine Artischocke und eine Zwiebel heraus und brachten sie dem Riesen zum Munde, der sodann weiter den Fluß hinauf ging und dem Weibe den Weg frey ließ.

Sie bedachte, ob sie nicht lieber zurückgehen und die fehlende Stücke aus ihrem Garten wieder ersetzen sollte, und ging unter diesen Zweifeln immer weiter vorwärts, so daß sie bald an dem Ufer des Flusses ankam. Lange saß sie in Erwartung des Fährmanns, den sie endlich mit einem sonderbaren Reisenden herüberschiffen sah. Ein junger edler schöner Mann, den sie nicht genug ansehen konnte, stieg aus dem Kahne.

Was bringt Ihr? rief der Alte. – Es ist das Gemüse das Euch die Irrlichter schuldig sind, versetzte die Frau und wieß ihre Waare hin. Als der Alte von jeder Sorte nur zwey fand ward er verdrießlich und versicherte daß er sie nicht annehmen könne. Die Frau bat ihn inständig, erzählte ihm daß sie jetzt nicht nach Hause gehen könne und daß ihr die Last auf dem Wege den sie vor sich habe beschwerlich sey. Er blieb bey seiner abschläglichen Antwort, indem er sie versicherte daß es nicht einmal von ihm abhange. Was mir gebührt, muß ich

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)