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der Alten keineswegs, welche nicht sowohl von seinem innern als von seinem äußern Zustande unterrichtet seyn wollte. Sie erfuhr weder den Nahmen seines Vaters noch seines Königreichs. Er streichelte den harten Mops, den die Sonnenstrahlen und der warme Busen des Jünglings als wenn er lebte erwärmt hatten. Er fragte viel nach dem Mann mit der Lampe, nach den Wirkungen des heiligen Lichtes und schien sich davon für seinen traurigen Zustand künftig viel Gutes zu versprechen.

Unter diesen Gesprächen sahen sie von ferne den majestätischen Bogen der Brücke, der von Einem Ufer zum andern hinüber reichte, im Glanz der Sonne auf das wunderbarste schimmern. Beyde erstaunten, denn sie hatten dieses Gebäude noch nie so herrlich gesehen. Wie! rief der Prinz; war sie nicht schon schön genug, als sie vor unsern Augen wie von Jaspis und Prasem gebaut da stand, muß man nicht fürchten sie zu betreten, da sie aus Smaragd, Chrysopras und Chrysolit mit der anmuthigsten Mannigfaltigkeit zusammengesetzt erscheint. Beyde wusten nicht die Veränderung, die mit der Schlange vorgegangen war, denn die Schlange war es, die sich jeden Mittag über den Fluß hinüber bäumte und in Gestalt einer kühnen Brücke da stand. Die Wanderer betraten sie mit Ehrfurcht und giengen schweigend hinüber.

Sie waren kaum an jenseitigem Ufer, als die Brücke sich zu schwingen und zu bewegen anfing, in kurzem die Oberfläche des Wassers berührte und die grüne Schlange in ihrer eigenthümlichen Gestalt den Wanderern auf dem Lande nachgleitete. Beyde hatten kaum für die Erlaubniß

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/133&oldid=- (Version vom 1.8.2018)