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auf ihrem Rücken über den Fluß zu setzen gedankt, als sie bemerkten, daß ausser ihnen dreyen noch mehrere Personen in der Gesellschaft seyn müßten, die sie jedoch mit ihren Augen nicht erblicken konnten. Sie hörten neben sich ein Gezisch, dem die Schlange gleichfalls mit einem Gezisch antwortete, sie horchten auf und konnten endlich folgendes vernehmen: wir werden, sagten ein paar wechselnde Stimmen, uns erst Incognito in dem Park der schönen Lilie umsehen, und ersuchen euch uns mit Anbruch der Nacht, sobald wir nur irgend präsentabel sind, der vollkommenen Schönheit vorzustellen. An dem Rande des grossen Sees werdet ihr uns antreffen. Es bleibt dabey, antwortete die Schlange und ein zischender Laut verlohr sich in der Luft.

Unsre drey Wanderer beredeten sich nunmehr in welcher Ordnung sie bey der Schönen vortreten wollten, denn so viel Personen auch nun sie seyn konnten, so durften sie doch nur einzeln kommen und gehen, wenn sie nicht empfindliche Schmerzen erdulten sollten.

Das Weib mit dem verwandelten Hunde im Korbe nahte sich zuerst dem Garten und suchte ihre Gönnerin auf, die leicht zu finden war, weil sie eben zur Harfe sang; die lieblichen Töne zeigten sich erst als Ringe auf der Oberfläche des stillen Sees, dann wie ein leichter Hauch setzten sie Gras und Büsche in Bewegung. Auf einem eingeschlossenen grünen Platze in dem Schatten einer herrlichen Gruppe mannigfaltiger Bäume saß sie und bezauberte beym ersten Anblick aufs neue die Augen, das Ohr und das Herz des Weibes das sich ihr mit Entzücken näherte und bey sich selbst schwur, die Schöne sey

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 10-126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_4-1795.pdf/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)