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Den Wein zur Erde, da fließet

Die lindernde Zähr’ in den Schooß.

Und nimmer mit stärkender Macht
Erquickt sie der tröstende Schlummer,
Wild scheuchet der rastlose Kummer

220
Den holden Gefährten der Nacht.

Sie wendet das bleiche Gesicht
Wenn Mitleid die Nahrung ihr bietet,
Und stirbt wie von Stürmen umwüthet
Die glänzende Lilie bricht.

225
Noch schweifet ihr Geist in dem Schein

Der Dämmrung, man sieht unter Ranken
Des düsternden Epheus sie wanken
Am grauen bemoosten Gestein.
Wild flattert ihr weißes Gewand

230
Beim ersten verkündenden Strahle

Des Morgens, sie wird in dem Thale
Die Jungfrau des Schlosses genannt.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1798. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1798_254.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)