Seite:Schiller Musenalmanach 1799 178.jpg

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     Da gießt unendlicher Regen herab,
Von den Bergen stürzen die Quellen,
Und die Bäche, die Ströme schwellen.
Und er kommt an’s Ufer mit wanderndem Stab,

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Da reisset die Brücke der Strudel hinab,

Und donnernd sprengen die Wogen
Des Gewölbes krachenden Bogen.

     Und trostlos irrt er an Ufers Rand,
Wie weit er auch spähet und blicket

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Und die Stimme, die rufende, schicket;

Da stößet kein Nachen[1] vom sichern Strand,
Der ihn setze an das gewünschte Land,
Kein Schiffer lenket die Fähre,
Und der wilde Strom wird zum Meere.

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     Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,

Die Hände zum Zeus erhoben:
O hemme des Stromes Toben!
Es eilen die Stunden, im Mittag steht
Die Sonne und wenn sie niedergeht,

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Und ich kann die Stadt nicht erreichen,

So muß der Freund mir erbleichen.

  1. Nachen: Kleines Boot, Einbaum.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_178.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)