Seite:Schiller Musenalmanach 1799 226.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wenn um das hohe, starkgefühlte Leben,
Das Göttliche, das uns im Innern glüht,
Sich einst auch neue, schön’re Formen weben,

20
Ein andres Seyn aus diesen Trümmern blüht;


Was ist dem Geist zu neuem Sein gebohren,
Dann, was hienieden ihn zum Gott entzückt?
Mit jedem Sinn gieng eine Welt verlohren,
Und seine schönsten Blüthen sind zerknikt.

25
Zertrümmert ist in seinen feinsten Tiefen

Das holde Saitenspiel in unsrer Brust,
Wo aller Lebensfreuden Keime schliefen;
Wir bleiben keiner, keiner uns bewußt!

In welches Labyrinth bin ich verschlungen?

30
Hat eine traurige Nothwendigkeit

Mir dieses Leben furchtbar aufgedrungen?
O! Liebe! löse du den langen Streit!

Ja, ich empfand, als ich mit süßem Beben
Der Liebe Glut aus deinen Blicken sog,

35
Und heiliges, noch nie empfundnes Leben,

Mit Götterkraft durch meine Seele flog,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_226.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)