Seite:Schiller Musenalmanach 1799 229.jpg

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Wird dann das Glück von unsern schönern Tagen
Dein höchstes Ideal auf ewig seyn? –
Ich ahne, Selmar, deine sanften Klagen,

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Durch eignen Schmerz begreif ich deine Pein.


Nein klage nicht! – Wenn neue Freuden winken,
Wenn dir die Hoffnung frische Kränze flicht,
So laß mein Bild in stillen Schlummer sinken
- Auch solche Opfer scheut die Liebe nicht!

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Ich will - der Liebe Götterhoheit sieget -

Dein Herz von fremden Trieben glühen sehn,
Und wie ein Stral, der in der Luft verflieget,
In deiner Seele ewig untergehn.

Doch Selmar, nein! - Kann Liebe untergehen,

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Ward die Natur sich selbst je ungetreu,

Kann Harmonie wie Frühlingshauch verwehen,
Und wird dein Ideal dir wieder neu?

Die Lieb’ ist ewig! ihren Harmonieen
Folgt treu die ganze bildende Natur,

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Und werd’ auch ich in neuen Formen glühen.

So folg’ ich ewig ihrer Rosenspur.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_229.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)