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Malvina weinte, denn die Klage bebte
Auf jedem Ton, den seine rechte schlug,
Und wehmuthsvoll umschlang sie mit den Händen
Des Vaters Knie, bis seine Klagen enden.

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      Sein Lied verstummt, da küßt er Stirn’ und Wangen

Malvinens, die ihr weinend Angesicht
An ihm verbirgt, er hält sie fest umfangen
Mit Innigkeit und tröstet sie und spricht:
Komm, holdes Kind, laß mich zur Ruh’ gelangen

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Und leite mich, du meines Alters Licht,

Zur stillen Wohnung, daß ein sanfter Schlummer
Mir Frieden bring’ und stille meinen Kummer.
      Das Mädchen faßt des Greises Hand und leitet
Mit treuer Sorgfalt von dem Hügel ihn

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In’s Thal hinab, wo still ein Bächlein gleitet,

Um dessen Rand die bunten Blumen blühn;
Die Fluth ist hell und kühl und gern bereitet
Erquickung sie, wenn heiß die Tage glühn:
Gieb mir den Becher, spricht mit holden Blicken

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Malvina jetzt, ich will dein Herz erquiken.

      Es dankt der Greis, der Sänger schöner Lieder,
Wie keiner ist und keiner jemals war:
Das Mädchen eilt zum Bache schnell hernieder
Mit leichtem Schritt, daß ihr gelocktes Haar

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Musen-Almanach für das Jahr 1799. Tübingen: J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1797, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Musenalmanach_1799_238.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)