Seite:Schiller Universalgeschichte.pdf/15

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Wahr ist es, auch in unser Zeitalter haben sich noch manche barbarische Ueberreste aus den vorigen eingedrungen, Geburten des Zufalls und der Gewalt, die das Zeitalter der Vernunft nicht hätte verewigen sollen. Aber wieviel Gestalt hat der Verstand des Menschen auch diesem barbarischen Nachlaß der ältern und mittlern Jahrhunderte anerschaffen! Wie unschädlich, ja wie nützlich hat er oft gemacht, was er umzustürtzen noch nicht wagen konnte! Auf dem rohen Grunde der Lehen-Anarchie führte Teutschland das System seiner politischen und kirchlichen Freyheit auf. Das Schattenbild des römischen Imperators, das sich diesseits der Apenninen erhalten, leistet der Welt jezt unendlich mehr Gutes, als sein schreckhaftes Urbild im alten Rom – denn es hält ein nützliches Staatssystem durch Eintracht zusammen: jenes drückte die thätigsten Kräfte der Menschheit in einer sclavischen Einförmigkeit darnieder. Selbst unsre Religion – so sehr entstellt durch die untreuen Hände, durch welche sie uns überliefert worden – wer kann in ihr den veredelnden Einfluß der bessern Philosophie verkennen? Unsre Leibnitze und Locke machten sich um das Dogma und um die Moral des Christenthums eben so verdient, als – der Pinsel eines Raphael und Correggio um die heilige Geschichte.

Endlich unsre Staaten – mit welcher Innigkeit, mit welcher Kunst sind sie einander verschlungen! wie

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Der Teutsche Merkur. 4. Bd., 1789. S. 105-135. [Hofmann], Weimar 1789, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Universalgeschichte.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)