Seite:Schiller Universalgeschichte.pdf/25

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in der Weltgeschichte nur hie und da eine Welle beleuchtet wird. Da es ferner leicht geschehen kann, daß der Zusammenhang einer entfernten Weltbegebenheit mit dem Zustand des laufenden Jahres früher in die Augen fällt, als die Verbindung, worin sie mit Ereignissen stehet, die ihr vorhergiengen oder gleichzeitig waren: so ist es ebenfalls unvermeidlich, daß Begebenheiten, die sich mit dem neuesten Zeitalter aufs genaueste binden, in dem Zeitalter, dem sie eigentlich angehören nicht selten isolirt erscheinen. Ein Faktum dieser Art wäre z. B. der Ursprung des Christenthums und besonders der christlichen Sittenlehre. Die christliche Religion hat an der gegenwärtigen Gestalt der Welt einen so vielfältigen Antheil, daß ihre Erscheinung das wichtigste Faktum für die Weltgeschichte wird: aber weder in der Zeit, wo sie sich zeigte, noch in dem Volke, bey dem sie aufkam, liegt (aus Mangel der Quellen) ein befriedigender Erklärungsgrund ihrer Erscheinung.

So würde denn unsre Weltgeschichte nie etwas anders als ein Aggregat von Bruchstücken werden, und nie den Nahmen einer Wissenschaft verdienen. Jezt also kommt ihr der philosophische Verstand zu Hülfe, und, indem er diese Bruchstücke durch künstliche Bindungsglieder verkettet, erhebt er das Aggregat zum System, zu einem vernunftmäßig zusammenhängenden Ganzen. Seine Beglaubigung dazu liegt in der Gleichförmigkeit

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? In: Der Teutsche Merkur. 4. Bd., 1789. S. 105-135. [Hofmann], Weimar 1789, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Universalgeschichte.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)