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Max Schneidewin: Ernst von Leutsch: Ein Nekrolog

geworden waren, wie eine sage. Freilich sprühte bei gelegenheit in Leutsch immer ein höchst joviales und belebendes gesellschaftliches talent hervor. Eine liebhaberei bis an sein ende blieb für ihn der schöne grosse garten bei seinem 1874 gekauften hause in der „karspüle“, den er in der sorgfältigsten pflege hielt und von jahr zu jahr verschönerte. Dem botaniker hätte hier sofort klar werden müssen, dass ein kenner für die mannigfaltigkeit und zusammenstellung sämmtlicher gewächse hier sorgte, aber zugleich sollte der garten dem philologen so zu sagen ein lebendiges lexikon der Flora in der griechischen und lateinischen litteratur sein, in welcher z. b. Vergil’s Georgika eine lieblingsschrift für ihn waren. Aber auch sein haus war höchst charaktervoll von dem geist des besitzers durchweht. An der treppe des lichten atriums herauf hingen – wie wohl in fürstlichen jagdschlössern hirschgeweihe – die bilder sämmtlicher grössen der Georgia Augusta seit deren gründung, mit den stufen aufwärts laufend, über einander, und so war denn vom eintritt in das haus an und weiter in allen seinen räumen die idee des gelehrtenheimes auf das consequenteste und anziehendste verkörpert. Ein ächter typus deutschen gelehrtenthumes und eines mit der wissenschaft vermählten herzens ist in Ernst v. Leutsch dahingegangen.

Empfohlene Zitierweise:
Max Schneidewin: Ernst von Leutsch: Ein Nekrolog. Göttingen: Dieterich'sche Verlagshandlung, 1888, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schneidewin_Leutsch_11.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)