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Hornberg und das ihm sich anschließende Kalte Feld. Gleichsam losgelöst von der Albhochebene ragen gleich Hochwächtern der Landschaft die sog. drei Kaiserberge empor und schieben sich mit dem oft kaum einige Meter breiten Aasrücken tief zwischen das Rems- und Filstal hinein; uns unmittelbar gegenüber liegen der kahle Stuifen und der schmucke zweikuppige Rechberg mit seiner Schloßruine und der weithin sichtbaren schönen Wallfahrtskirche, und nach rechts grüßt über dunkle Tannenwälder gar freundlich der Hohenstaufen herüber. Von ihm aus erscheint dem Hohenstaufensänger Knapp

„Morgenwärts knieend, wie ein beladenes Kamel
Der massige Rechberg,
Den stillen Tempel mit wehenden Linden
Auf dem geduldigen Rücken.
Er diente den Fürsten treu,
Blieb im Riesenschritt der Jahrhunderte
Hinter dem sprühenden Streitroß
Der Staufer zurück
Und wird niedriger bleiben als dieser Berg,
Des Kaiserhand ihm
Mild aufgeladen Vasallenlast
Und mit klingender Leier ihm
Auf dem Nacken gesessen.“

Das eben geschilderte Landschaftsbild hat das durch seine zeichnerischen Beiträge in diese Blätter rühmlich bekannte Mitglied der hiesigen Ortsgruppe, E. Werner, der Nr 10 des Jahrg. 1906 einverleibt, auf das wir unsere freundlichen Leser verweisen möchten.

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Und nun lasset uns nach diesem herrlichen Naturgenuß niedersteigen zum Tale, um uns auch an den Sehenswürdigkeiten der Stadt und ihrer Kunstschätze zu erfreuen.

Da aber aus Anlaß der letzten Herbstversammlung in hiesiger Stadt i. J. 1896 von kundiger Hand in genanntem Jahrgang des Vereinsblattes in Wort und Bild in hervorragender Weise den Kirchen- und Kapellen, sowie den Stadttürmen große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, möchten wir diesesmal unter Verweisung auf jene Darstellung unser Augenmerk mehr Gegenständen zuwenden, die daselbst nicht behandelt, oder auch solchen, die indessen neu in die Erscheinung getreten sind - nämlich der Profanbauwerken alter und neuer Zeit, und den Zwecken, welchen sie dienen. Wir folgen dabei dem „Führer von Schwäbisch Gmünd“ des Vereins für Fremdenverkehr und dem vom Verfasser dieses in wiederholter Auflage geschriebenen „Führer für Gmünd und seine Umgebung.“ Die hervorragendsten Bauwerke nicht kirchlicher Art verteilen sich auf die Zeit vom 15. bis zum gegenwärtigen Jahrhundert und unterscheiden sich 1. in alte und 2. in neuere und neueste Bauwerke.

1. Alte Bauwerke.

Der Hospital zum Hl. Geist liegt an der Unterseite des Marktplatzes. Seine Gründung fällt in das 11. oder 12. Jahrhundert, und schon i. J. 1281 nimmt Kaiser Rudolf das „Heiliggeistspital“ mit seinen bedeutenden Besitzungen in besonderen Schutz.

Das jetzige dreistockige moderne Spitalgebäude wurde 1840, an Stelle des alten Gebäudes gesetzt und enthält die Räumlichkeiten für Kranke und gebrechliche Leute, sowie vortrefflich eingerichtete Operationszimmer und eine Hauskapelle. Sehr sehenswert ist die unlängst neuhergerichtete Portalhalle mit hervorragenden Meisterwerken des Prof. Widemann von hier in Berlin, nämlich zwei lebensgroßen Figuren, „Wahrheit und Gnade“ symbolisierend, und ein Bronzerelief von demselben Künstler, die „Barmherzigkeit“ darstellend; sodann zwei große Wandgemälde von Maler Moritz Röbbecke in Berlin, darstellend die Inschutznahme des Spitals durch Kaiser Rudolf, und Christus, wie er Kranke heilt. Von künstlerischem Werte ist sodann auch das die Halle abschließende schmiedeiserne Gitter mit seinem Blatt- und Rankenwerk und Blumenschmuck aus der Werkstätte von Markus in Berlin-Schöneberg. Es lohnt sich, auch noch dem gärtnerisch angelegten Spitalhof einen kurzen Besuch zu machen und die mittelalterlichen Bauten von dort aus auf sich wirken zu lassen. An das Spitalgebäude lehnt sich ostwärts ein prächtiger stilgerecht verbesserter Holzbau an, das Amthaus aus dem Jahr 1495, im Inneren die „Uhrstube“ aus dem 16. Jahrhundert mit schön eingelegten altertümlichen Türen.

Das Kornhaus stammt nach der an der nordwestlichen Ecke angebrachten Jahreszahl aus dem Jahre 1507. Es liegt an der durch die Altstadt führenden Hauptstraße. Im unteren Stock befinden sich das Eichamt und eine mechanische Werkstätte. Der schöne und reiche Holzbau aus mächtigen Eichenbalken ist ein Meisterwerk alter Bauweise. Ihm ganz ähnlich nach Bauart ist das sog. Werkhaus in der Sebaldstraße.

Die sog. Schmalzgrube bei der Franziskanerkirche ist eines der interessantesten Gebäude der Stadt, von welchem der Chronist schreibt: „Im Jahre 1308 ist das Steinhaus beim Königsbronner Hof, so vorhin Kaiser Barbarossas Tag gewesen, erneuert worden mit einem Wappenschild und Jahrszahl.“ Der Oberbau war aus Holz und brannte am Aschermittwoch des Jahres 1558 ab, wurde jedoch, wie die Inschrift über dem mit dem städtischen Wappen geschmückten Haupteingang besagt, massiv wieder aufgebaut. Die in sorgfältiger Rustika hergestellten Gewölbe des Erdgeschosses sind natürlich noch die ursprünglichen und dienten wohl als Gefängnisse. Darauf deuten die an den Wänden der Gewölbe eingegrabenen Inschriften, Kreuze, Kelche usw. Unter anderem ist zu lesen: „Morgen werde ich hingerichtet wegen Hexerei. Hans Rathgeb, 14. Febr. 1541.“ Später dienten diese Räume zur Aufbewahrung von allerlei Viktualien, daher der Name des Gebäudes.

Früher war das Anwesen von einer Mauer umgeben und diente zur Abhaltung des „Schwörtags“ und sonstiger Gemeindeversammlungen. Im oberen Stock befand sich zu diesem Zweck ein großer, durch das ganze Gebäude sich hinziehender, von 5 prächtigen Eichensäulen gestützter Bürgersaal. Gegenwärtig ist in demselben ein jüdischer Betsaal und eine Frauenarbeitsschule untergebracht.

Zu den alten Bauwerken, wenn auch viel jünger als die bisher genannten, rechnen wir noch die vielen in der alten Reichsstadt zerstreut liegenden schönen und reichverzierten Rokokohäuser aus der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie sind großenteils von dem Baumeister Keller aus Dinkelsbühl erbaut.

Diese alten Patrizierhäuser zeichnen sich nicht nur durch die Solidität und architektonisch schöne Anlage aus, sondern ganz besonders durch die kunstvoll gearbeiteten Eisengitter vor den Fenstern

Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Kaißer: Schwäb. Gmünd und seine Umgebung. Tübingen, 1907, Spalte=269-270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schwaeb_Gmuend_und_seine_Umgebung_003.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)