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haben. Daher können wir auch deutlich drei verschiedene Baustyle an demselben bemerken. Die kurzen dicken Säulen höchst primitiven Charakters im rechten, nach dem Garten zu führenden Flügel, dessen untere Räume zum Theil zu Holzremisen dienen, sowie in demselben die kleinen, von Tonnengewölben bedeckten Gemächer haben offenbar der Pfalz der salischen Conradiner angehört. Eben so zeugt im Hauptflügel der sogenannte Rittersaal, dessen Gewölbe auf zwei gewaltigen Säulen ruht, deren eine mit einer wunderlichen Capitälverzierung versehen ist, von sehr hohem Alter. In ihm mag schon König Conrad nach den Strapazen des Waidwerks an Wildprett und Wein sich erlabt haben. Auf diese alten Reste nun ist der Bau Philipps in zwei Stockwerken mit seinen Erkern, tiefen Fensternischen und schmalen Doppelfenstern aufgeführt. Johann Ernst hat sich am Hauptflügel begnügt, einen dritten Stock aufzusetzen, und dem Bau nach der Lahn zu einen alterthümlichen Anstrich, sogar mit gemalten Rissen zu geben; dagegen hat er die umfassenden Neubauten nach Westen und Süden zu dem alten Schlosse zugefügt.

Es bedarf einer ziemlich geraumen Zeit, wenn man von den Hunderten von Zimmern, welche das Schloss in seinen verschiedenen Stockwerken zählt, nur die ansehnlichsten durchwandern und in denselben das Bemerkenswerthe kennen lernen will. Eine herrliche Aussicht hinab auf das Grün des Gebücks und auf die von unten heraufrauschende Lahn geniesst man besonders aus den keck vorspringenden Erkern der Wohngemächer des Herzogs und der Herzogin und den entsprechenden Zimmern des oberen Stockes. Von Gemälden findet man viele Potraits der Nassauer, vornehmlich des Ottonischen Stammes, da die werthvollsten aus der Walramischen Linie nach Verlegung der Residenz nach Biebrich dorthin gebracht worden sind. Von geschichtlich merkwürdigen Männern begegnet man in einem Zimmer

Empfohlene Zitierweise:
August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/128&oldid=- (Version vom 1.8.2018)