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gebildete Nischen. „Sie ist also eine Hallenkirche, die erste des gothischen Styls, verbunden mit einer Choranlage kleeblattartiger Form.“ Die Fenster in ganzer Höhe aufzuführen, scheint man noch nicht gewagt zu haben; sie ziehen sich daher mässig gross und zweitheilig, mit einem einfachen Kreise über den inneren Bögen verziert, über einander um das ganze Gebäude herum und rufen von Aussen den Schein einer zweistöckigen Anlage hervor. Frei aufstrebende Fialen und kühne Strebebogen sind durch seine Anlage als Hallenkirche von seinem Schmucke ausgeschlossen, dagegen steigen starke Strebepfeiler ununterbrochen vom Boden bis zum Dache auf. Die Façade trägt den Charakter einfacher Würde; das Portal ist nur mit schlanken Säulchen, mit Archivolten, welche noch nach dem Geschmacke romanischer Bauweise abwechselnd nackt und mit Blätterreihen verziert sind, und mit einem Rankengewinde im Bogenfelde einfach, aber anmuthig geschmückt. Darüber bildet ein breiteres Fenster mit reichem Masswerke die einzige Ausstattung der Wand unter dem Giebel des Mittelschiffs. In eben so einfachen Formen steigen die blos durch schlanke Spitzfenster verzierten Thürme empor; ihre kräftigen Strebepfeiler laufen an der Gallerie in zierliche Fialen aus. Dort beginnt der achteckige Helm, welcher mit einer zweiten Gallerie versehen und beim einen Thurme mit einem Reiter, beim andern mit einem Sterne gekrönt ist. „Die ganze Façade ist also höchst anspruchslos und einfach, macht aber durch ihre klaren und regelmässigen Verhältnisse einen bedeutenden, würdigen und ernsten Eindruck, und zeigt das Vertikalprinzip in einer Klarheit und Reinheit, wie kaum irgend ein anderes Gebäude.“ Bedeutend gesteigert wird der Eindruck, den wir im Anschauen der schönen Kirche empfangen, wenn ihre „ehernen Zungen“ sich rühren, und von ihren Thürmen herab das Geläute ihrer sieben Glocken mächtig und voll in der reinsten Harmonie ertönt.

Empfohlene Zitierweise:
August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)