Seite:Spiess Das Lahnthal.pdf/74

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sie auch im Verhältniss zu Marburg arm an Thürmen. So in der weiten Thalfläche gelegen hat Giessen allerdings nicht die romantischen Partien, die frischen Waldstände und schroffen Felsenkuppen, welche die nahe Umgebung Marburgs so anziehend und reizend machen, dagegen empfangen wir von ihrer Umgegend den wohlthuenden Eindruck, welchen der Anblick eines üppigen, schwellenden, durch reiche Ortschaften belebten Fruchtlandes stets erzeugt, ohne dass wir dabei des Reizes der Romantik entbehren, der um die aus der gesegneten Fläche aufsteigenden, ruinengekrönten Bergkegel schwebt.

Die Stadt Giessen ist der bevölkertste Ort an der Lahn, denn da sie 10,000 (meist protestantische) Einwohner zählt, übersteigt ihre Bevölkerung die von Marburg um einige hundert Seelen. Als Provinzialhauptstadt von Oberhessen hat sie verschiedene Centralbehörden, ein Hofgericht für die ganze Provinz und einen Criminalsenat. In der Administration sind die Provinzialbeamten mit denen des Kreises vereinigt. Denn Giessen ist auch Kreisstadt, und als solche der Sitz eines Stadt- und eines Landgerichts und Wohnort verschiedener Verwaltungsbeamten. Ein grosser Theil der Bevölkerung nährt sich vom Feld- und Gartenbau, denn die fruchtbare Gemarkung Giessens dehnt sich weit um die Stadt hin aus. Indessen erfreut sie sich auch blühender Gewerbe und eines lebhaften Handels. Die Industrie ist hauptsächlich durch fünf Tabaksfabriken und eine Lein- und Wollenfabrik vertreten. Die grösste Bedeutung aber hat Giessen als Sitz einer Universität, die von circa 400 Studirenden besucht wird. Ausserdem befindet sich hier ein Gymnasium und eine Provinzial-Realschule.

Die Stadt Giessen ist im Laufe der Zeit, vornehmlich in den letzten Jahrzehnten, über ihre frühere Grenzen, welche bis zum Jahre 1802 durch Mauern und

Empfohlene Zitierweise:
August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)