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des Reichskammergerichts sich die Zahl derselben auf 7000 und mehr belief, und ist der Sitz eines preussischen Landraths und eines Kreisgerichts. Ausserdem hat es ein im Jahre 1817 gegründetes Gymnasium und ist Garnisonsort des 8. preussischen Jägerbataillons. Fabriken und grosse industrielle Etablissements besitzt die Stadt nicht, doch ist ihre Gewerbthätigkeit nicht unbedeutend, und der fruchtbare Boden im Thal und auf den Anhöhen begünstigt bedeutende Ackerwirthschaften. Noch vor wenigen Jahren stand die Stadt im Rufe beispielloser Billigkeit, vornehmlich in Bezug auf Logis. Da mit der Aufhebung des Reichskammergerichts eine grosse Anzahl von Wohnungen leer geworden war, konnte man selbst geräumige Häuser um sehr niedrigen Hauszins miethen, und da auch die Lebensmittel billig waren, so zogen sich viele Pensionäre in die anmuthige, durch mildes Klima begünstigte Gegend zurück. Doch hat die Anlage zahlreicher Eisensteingruben in der Nähe, und der seit der Eröffnung der beiden Eisenbahnen gesteigerte Verkehr dies Verhältniss wesentlich geändert.

Wetzlar ist eine der ältesten Lahnstädte, älter als Marburg und Giessen. Die Anfänge der Geschichte der Stadt knüpfen sich wohl an die alte Kirche, welche an einer Stätte heidnischer Götterverehrung auf der Stelle, wo nun der Dom steht, erbaut worden war, und naturgemäss eine Ansiedelung herbeiführte. Denn dass, wie Kohl (Rhein I, 479) meint, der Kalsmunt den ersten Anlass zu einer solchen gegeben habe, scheint im Hinblick auf die Entstehung anderer Lahnorte, wie Limburgs und Dietkirchens, wo ebenso wie in Wetzlar eine Kirche auf einer dem Flusse nahen Höhe schon in frühester Zeit erbaut wurde, unwahrscheinlich. Auch die Sage, dass Karl der Grosse und sein Sohn Ludwig hier eine königliche Villa gehabt hätten, spricht mehr für die Erweiterung der Stadt im Thal, als für die durch sie veranlasste Gründung derselben. Die älteste Nachricht

Empfohlene Zitierweise:
August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)