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Franzosen zurückwarf und den Sieg vollständig entschied. Ein von der Stadt Wetzlar im Jahre 1848 aufgerichteter Obelisk bezeichnet die Stelle, von wo aus derselbe, von seinem Generalstab umgeben, seine Befehle beim Angriff ertheilt hat.

Wenn die Stadt Wetzlar durch ihren Dom in kunstgeschichtlicher, und als ehemaliger Sitz des Reichskammergerichtes auch in historischer Beziehung unser lebhaftes Interesse erweckt, so wird sie uns sammt ihrer Umgebung lieb und theuer durch die mannichfachen Erinnerungen an Göthe, der hier den denkwürdigen Frühling und Sommer verlebte, in welchem seine Liebe zu Charlotte Buff erblühte. Wir befinden uns hier in diesem lieblichen Thal, „in welchem der sanfte Fluss am lispelnden Rohre dahingleitet“, auf classischem Boden; denn aus ihm ist des Dichters unsterbliches Jugendwerk, „Die Leiden des jungen Werther“, emporgewachsen, und diese Gegend, „wie geschaffen für empfindende Seelen“, bildet die Staffage zu den Schilderungen der Seelenzustände, deren Naturwahrheit und Tiefe eine so gewaltige literargeschichtliche Revolution erzeugt haben, dass ganz Europa von derselben erschüttert wurde. Aber auch nie mag in neuerer Zeit die Dichtkunst eine grössere mythenbildende Kraft bewährt haben, als es durch Werthers Leiden in Wetzlar geschehen ist. Denn noch in den zwanziger Jahren, nachdem allerdings eine gewaltige geschichtliche Katastrophe alle Verhältnisse umgewandelt, das Interesse auf andere Bahnen gelenkt und dazu Kriegsnoth aller Art auch über diese Gegend gebracht hatte, identificirte man trotzdem, dass die Buff’sche Familie noch in mehreren Zweigen in Wetzlar existirte, Göthe und den jungen Gesandtschaftssecretär Jerusalem in dem Werther der Dichtung, welcher sich aus Liebe zu Lotte im Winkler’schen Hause erschossen habe. Am Kalsmunt zeigte man ein enges, von Obstbäumen beschattetes Thälchen als Lieblingsaufenthalt des schwermüthigen,

Empfohlene Zitierweise:
August Spieß: Das Lahntal von seinem Ursprung bis zur Ausmündung nebst seiner nächsten Umgebung. Verlag von L. J. Kirchberger, Dillenburg 1866, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spiess_Das_Lahnthal.pdf/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)