Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/129

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perspektivisch verjüngten Maßen dargestellt und es ist von den herausstürmenden Gestalten unten bis zu den kleineren vom Grund sich abhebenden Figuren oben eine Illusion von vorn und hinten, wie sie dem Maler möglich ist, zu geben versucht und solange erreicht, als man gewillt ist, sich ihr hinzugeben. Bei den vier Tierkämpfen auf dem Rand sind die Gestalten vor eine ferne Landschaft gesetzt. Alles ist in glänzender Technik ausgeführt.

Auf dem von dem Leipziger Meister eingeschlagenen Weg, in Form einer Schüssel ein nur von ovalem Rahmen eingefaßtes Reliefbild aus dem gehöhlten Grund herauszutreiben, geht ein Augsburger Meister etwa um die Mitte des 17. Jahrhunderts noch einen Schritt weiter. Es scheint, daß die Marke richtig auf Hans Philipp Schweigger gedeutet wird, der 1673 gestorben ist, Tafel 54. Die ovale Schüssel hat einen erhöhten Rand und ein erhöhtes Mittelfeld, Rand und Mittel sind in den Diagonalen durch erhöhte Stege verbunden, so daß vier vertiefte Felder von dem Rahmenwerk umschlossen werden, die wie Durchblicke durch Öffnungen wirken. Der Rand ist nirgends von dem Boden der Schüssel scharfkantig abgesetzt, alles ist in weichen Übergängen gebildet und mit Knorpelornament in Relief verziert, untermischt mit Tierfratzen, die zumeist so orientiert sind, daß ebenso wie bei den getriebenen Figuren in den scheinbaren Durchblicken das Oben und Unten des Ovals gewahrt bleibt. Die vier Figuren sind oben und unten Frauen auf Wolken gelagert, Mittag und Nacht, an den beiden Seitenfeldern schreiten Männer auf Wolken nach links zu, links aus dem Bild heraus, rechts in dieses hinein, Morgen und Abend. Nur das Feld links hat noch im Mittelgrund zwei kleinere sitzende Frauen um eine Erdkugel beschäftigt. Alle Gestalten sind in guten, nicht übertriebenen Verhältnissen entwickelt. Es scheint fast, als habe dem Künstler die Erinnerung an Deckenbilder vorgeschwebt. In der Luft hinter den Wolken sind in hauchzarter Punzenarbeit, wie wir sie u. a. schon von der Drachenkanne des Christoph Jamnitzer kennen, noch Figurenszenen hinzugefügt. Die Form einer Schüssel war dem Künstler nur ein willkommener Vorwand, um daran seine Kunst des Reliefs zeigen zu können.

Ein anderer vielbeschäftigter Augsburger Meister Johann Andreas Thelot, 1654–1734, zeigt mit der von ihm bezeichneten und 1714 datierten getriebenen Prunkschüssel den inzwischen eingetretenen Stilwandel vom Barock zu den klassizistischen Formen, die in der höfischen Kunst besonders in Geltung kamen. Tafel 55. Das zierliche dünne Ornament des Randes bezeichnet man