Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/138

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den Wein vom Faß aus dem Keller zu holen. Diese Gefäße hatten meist die Form großer fußloser Büchsen, zylindrisch rund oder mehrkantig, mit einem Henkel auf dem Schraubdeckel; die einfache zweckmäßige Gebrauchsform wurde auch zuweilen in Silber reicher ausgestattet, doch wurden für ihre Verwendung zugleich als Schaustücke andere Formen bevorzugt. Ein Vorläufer solcher großer Flaschen aus dem 16. Jahrhundert auf Tafel 56, deren Deckel mit Scharnier mit der Flasche verbunden ist. Die ungewöhnliche Gestalt dieser Flasche, deren Gefäß in Form einer Kugelzone mit der Mantelfläche auf einen in verjüngter Schweifung ansteigenden Sockel gestellt ist und einen aus dem Mantel aufragenden leicht eingeschweiften zylindrischen Hals mit Haubendeckel besitzt, macht den Eindruck architektonischer Konstruktion, es ist aber doch möglich, daß ein ähnliches Gefäß in Wien dazu die Anregung gegeben hat. Ähnliche flache walzenförmige auf die Rundung gestellte Gefäße, ohne den Fuß und langen Hals, waren und sind als Feldflaschen von Ackerbauern in Gebrauch. Der Silberschmied hat eine solche Form zum Prunkgerät erhoben. Wo und wann dies geschehen ist, mag nicht leicht festzustellen sein, die Marken fehlen, nach den Formen der Verzierung scheint die Mitte des 16. Jahrhunderts dafür anzusetzen. Daß die Flasche für den Dresdner Hof entstanden sei, ist nicht gewiß; der kursächsische Wappenschild beiderseits am Ansatz des Halses kann auch erst später hinzugefügt worden sein. Die beiden bildlichen Darstellungen, die die kreisrunden Schnittflächen des Gefäßes zieren, auf der einen Seite die Eroberung einer Festung, auf der andern die Rettung eines Kriegers durch einen reitenden Bauern, scheinen keinen geschichtlichen Vorgang vorzustellen. Trotz der im Feld stehenden Kanonen haben die Krieger antike Gewandung. Die ornamentalen Motive der getriebenen Arbeit sind seit der Hochrenaissance in Geltung geblieben, so daß daraus keine sichere Datierung möglich erscheint. Die Form des Henkels, der sich vom Ansatz des Halses bis über den Schraubdeckel entwickelt, nimmt dem Flaschenhals den Eindruck des Mageren und läßt auch die flache runde Scheibenform des Gefäßes nach oben ausklingen. Auch die Motivierung der Henkelbildung durch die an Kopf oder Schwanz vereinten Delphine ist glücklich gewählt. Ebenso auch die Belebung der Ecken am Halsansatz durch die Schildkröten und die sitzenden Engelknaben. Die 81 cm hohe Gesamthöhe der Flasche überragt die der meisten anderen Ziergefäße. Eine solche Steigerung der Größe beobachten wir erst seit dem Ende des 16. Jahrhunderts.