Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/15

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bildet im Innern eine auf den Boden aufgelegte, runde, gewölbte Goldscheibe mit dem ausgestochenen und mit Niello ausgefüllten russischen Doppeladler. Die Verwendung dieser Schwefelsilberlegierung, im Mittelalter allgemein verbreitet, ist seit der Renaissance besonders in Rußland in Übung geblieben. In der gleichen Technik sind die beiden Zierplatten ausgeführt, deren eine innen auf den erhöhten, zu einem flachen, wagrechten Griff umgebogenen schmalen Rückenteil und ebenso die andere auf den vorn an einer Spitze emporgeführten äußeren Teil der Schale aufgeheftet ist. Da, wo diese Platten den Rand verlassen, sind sie gleichmäßig in Bogen und Schweifungen bewegt. Eine gleichfalls bewegte Form haben die aufgesetzten Kastenfassungen der in ihrer natürlichen Form nur wenig durch Schliff veränderten hellblauen Saphire. Ganz ausgezeichnetes Gefühl für die Reinheit und den Rhythmus der Linien und die Form der Blätter und Blüten bekundet auf dem blauschwarzen Niellogrund die goldene maureskenartige Flächenverzierung dieser beiden Platten. Das System dieser Mauresken wird überschnitten durch je ein zweites System von großzügigen Mauresken, die in den Goldgrund eingraviert und durch Strichelung mit lebhafterem Goldglanz versehen sind. Je nach der wechselnden Belichtung hebt sich dieses wie ein Netz darübergelegte Liniensystem von dem niellierten glatten, matteren Untergrund lebhafter ab, oder verbindet sich mit diesem. Eine auf gereifte künstlerische Überlegung gegründete, überaus reizvolle Wirkung, die als eine edelste Frucht des Renaissancegefühls zu gelten hat, und die unsere russische Schale den besten Erzeugnissen dieser Art der Flächenbelebung ebenbürtig zur Seite stellt. Man könnte nun daran denken, diese Ornamentation, die ihren Ursprung im Orient hatte, sei über den Kaukasus bis in das Innere Rußlands vorgedrungen und so sei die Schale zugleich auch ein Dokument des nationalrussischen künstlerischen Vermögens jener Zeit. Es fehlen uns aber hierfür ähnliche gleich hochstehende Arbeiten. Dagegen wissen wir, daß diese Ornamentation in Deutschland mit besonderem Eifer aufgenommen und in vielen und verschiedenartigsten Erzeugnissen weiter entwickelt wurde. Peter Flötner und Virgil Solis sind hierfür die bekanntesten Vorgänger gewesen und wir finden auch jene entwickeltere Form der Maureske, solche mit doppelten Züglin, ausdrücklich bei Virgil Solis von den einfachen Mauresken als sogenannte türkische bewußt unterschieden und angewandt. Wir wissen weiter, daß Zar Iwan gerade deutsche Gelehrte, Künstler und Handwerker nach Rußland zu ziehen vermocht hat. Es ist also sehr wohl möglich und durchaus nicht