Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/19

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erwacht, die schon die ältere ernestinische Linie in politischer Hinsicht zu immer geringerer Bedeutung herabdrückte, während in den Landen der brandenburgischen Hohenzollern das Land unter einer Herrschaft erhalten blieb und zu immer größerer Macht erstarkte, wodurch u. a. den Hohenzollern gegenüber den Wettinern mehr und mehr das politische Übergewicht in Deutschland zuwuchs. Die Gefahr verschwand erst für Kursachsen durch das Aussterben dieser Nebenlinien 1718, 1738 und 1746. Die Becher gelangten aus deren Besitz schon 1718 wieder nach Dresden und alle vier in das Grüne Gewölbe. Jeder wiegt gegen 1390 Gramm. (Inv. IV, 69. 70. 77. 78.)

Anscheinend noch für denselben Kurfürsten Johann Georg I. ist auch das auf derselben Tafel 4, 2 abgebildete silbervergoldete Trinkgefäß entstanden, das die Form eines Kriegswerkzeugs nachahmt, einen sogenannten Mörser, der die Kugel in hohem Bogen forttreiben soll. Dementsprechend ist auch dieser Trinkmörser auf dem quadratischen Sockel schräg aufwärts gerichtet, den Deckel bildet die Nachahmung einer flammenden Granatkugel. Ebenso wie viele schweren Geschütze des 16. und 17. Jahrhunderts mit mancherlei künstlerischem Reliefschmuck ausgestattet waren, so ist auch hier die Vorderseite in Treibarbeit mit einem Drachen verziert, Delphine dienen als Henkel und Verbindungsglieder zum Sockel, eine Löwenmaske umkleidet das Zündloch. Auf der Rückseite des Mörsers nennt eine Inschrift dessen Namen: der fliegende Geist usw., womit auf heute nicht mehr erkennbare Zusammenhänge angespielt wird. Man mag die Nachbildung eines solchen Kriegsgeräts für ein Trinkgefäß als „Atrappenstil“ verwerfen, sie steht doch aber in Zusammenhang mit der Übertragung von Natur- und Kunstformen auf Werke, die anderen Zwecken zu dienen erstanden als ihre Vorbilder, die eine uralte Vergangenheit besitzt. Am ausgebreitetsten ist bekanntlich in der Zeit der Gotik die Übertragung von Formen der Architektur besonders auf kirchliche Geräte aller Art gerade der Goldschmiedekunst, in der Zeit der Renaissance und des Barock ist diese in der Schreinerarchitektur nicht weniger ausgebreitet, doch auch die Kunstschränke und Uhrgehäuse, an denen die Goldschmiede starken Anteil hatten, sind von ihr abhängig. Es ist auch kein wesentlicher Unterschied, ob ein Werk der Goldschmiedekunst für Gefäße und Geräte Formen der Natur nachbildet oder Formen, die von Menschenhand für andere Vorrichtungen geschaffen sind. Es kommt auf den Grad der Ausführung an, ob wir einem so entstandenen Werk noch künstlerischen Wert beimessen wollen. In den breiten Formen der