Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/31

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Spitze nach oben strebender pflanzenhafter Wuchs wird abgelöst durch eine wagerechte Schichtung übereinander lagernder Glieder, von denen jedes für sich selbständig und mit dem nächsten nicht organisch verbunden ist. Diese Glieder waren in Italien aus der Architektur in die Werke des Kunsthandwerks übergegangen. Ein mit diesen auf gebauter Pokal mit seinen Zylindern, Wulsten, Hohlkehlen, Rinnleisten, Sturzrinnen und sonstigen Zwischengliedern, sowie den Vasen des Schaftes macht zuweilen den Eindruck, als ob alle Einzelteile aus einem Vorrathaufen zusammengesucht und beliebig aufeinandergesetzt seien, wie ja auch tatsächlich Glied an Glied verlötet werden mußte. Es ist aber nicht zu verkennen, daß durch die ganze Aufnahme der Formenschatz der deutschen Goldschmiede eine überaus große Bereicherung erfahren hat und daß sehr viele der dadurch neu entstandenen Gefäße und Geräte durch den Wohlklang der Verhältnisse und den Wohllaut der Formen ausgezeichnet sind. Daß dies erreicht wurde, war nicht zum wenigsten dadurch veranlaßt, daß führende Meister der künstlerischen Entwicklung in Deutschland ihre Entwürfe durch den Druck verbreiteten, oder den Goldschmieden direkt ihre Zeichnungen als Vorlagen lieferten. Es sei nur an die Namen von Albrecht Dürer, Hans Holbein d. j., Peter Flötner, Hans Burgkmair, Albrecht Altdorfer, die Brüder Hans Sebald und Barthel Beham, Georg Pencz, Heinrich Aldegrever, Hans Brosamer erinnert, denen eine jüngere Generation von erfindenden Meistern, wie Virgil Solis, die Hopfer, der Meister von 1551 Matthias Zündt, Paul Vlindt, Georg Wechter und andere in nicht minder einflußreichem Wirken sich anschloß. Das mag für nicht wenig Goldschmiede den Erfolg gehabt haben, daß sie sich in der Erfindung auf die entlehnten Formen verließen, und damit zufrieden waren, diese in kunstgerechter Weise auszuführen; bei der allenthalben gediegenen Schulung der Goldschmiede, die von den Zünften überwacht und eifervoll gehütet wurde, hatte es aber auch die Wirkung, daß die Erzeugnisse der deutschen Renaissance, wie in allen übrigen Handwerkskünsten, so in erster Linie in den Werken der Goldschmiedekunst eine selten hohe Vollkommenheit erhielten.

Unter diesen Pokalen der deutschen Renaissance, deren Formen bis in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs in Geltung blieben, sind im Grünen Gewölbe von den nur in Silber getriebenen Werken mit einer Ausnahme die frühesten nicht vor die Mitte des 16. Jahrhunderts anzusetzen. Und dieses eine Stück hat dadurch noch ein besonderes Interesse, daß es als der Trinkbecher Martin