Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/38

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Jamnitzer ist es, der diese Form für das Meisterstück in der Nürnberger Goldschmiedezunft eingeführt hat. Das Gefäß vermeidet im Gegensatz zu den wagrechten Schichtungen des vorher besprochenen Pokals die von der italienischen Renaissance übernommenen vielen Profilierungen; es bekundet wieder gotisches Formgefühl und läßt wie durch ein loses Gewand hindurch die beiden gotischen Buckelreihen erkennen, die seine Form bestimmt haben. Nur durch Treibarbeit ist die nur aus einem Stück Silberblech zusammengerollte Becherform zu der Glockenform erweitert worden. Doch sind gegen früher die Wölbungen der mit spitzen Enden ineinandergreifenden Fischblasen völlig mit ziselierter Verzierung überdeckt, darin oben stehende Figuren von Ranken und Rollwerk und Festons umrahmt unter Baldachinen und unten Kinderköpfchen in Rollwerk. Wie hier am Gefäß und bei dem dachgewölbten Deckel der Lichterglanz gotisch-glatter Buckel nicht erstrebt wird, so erinnert auch der mehrpassige Fuß mit seinen Buckeln nur entfernt an das gotische Buckelsystem, das konstruktive Bedeutung hat, es ist hier zum Ziermittel herabgesunken. Ebenso strebt auch der Schaft nicht wie dort straff und sehnig zu seiner Last empor, sondern dafür ist eine Renaissancevase als Träger eingeschoben auf breiter, die Aufwärtsbewegung des Sockels abschneidender Fußplatte. Doch steckt in der Sechspaßform der Platte und in der gleichen Form am Fuß des Sockels ein Nachklang der Gotik. Eine Renaissancevase dient dann auf dem mit sechs Buckeln gewölbten Deckel als Träger des die Spitze bildenden Ritters. Trotz dieser Zwiespältigkeiten, die die störende Einwirkung der italienischen Formen auf das deutsche Formgefühl erkennen lassen, hat diese Becherform doch noch großen Reiz, der sie auch allenthalben in Deutschland hat zur Verbreitung kommen lassen. Ein spätes noch schlankeres Stück dieses Typus ist der Hanauer Ratsbecher (1615) bei Rothschild in Paris, an dem die Buckel des Deckels prächtig in weichen Formen als Fischköpfe gebildet sind. Der dritte durch die Vorlagen der Punzenstecher zu Ende des 16. Jahrhunderts weit verbreitete Typus des hohen Deckelpokals auf Tafel 11 verwendet die einfache nach oben entweder in gerader Richtung oder mit leichter Einschweifung erweiterte Becherform. Der hohe, durch eine Hohlkehle gegliederte, gewölbte Fuß steigt hier ohne die scharfe wagerechte Unterbrechung in verjüngten Formen zu der Vase des Schaftes empor. Diese aber läßt die gleichen plastischen Motive wie die Schaftvase des Ageleybechers noch stärker heraustreten als ihr Vorbild. Das dann folgende durch drei Bügel mit der Vase verbundene zylindrische Zwischenglied vermittelt