Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/43

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Inschrift innen im Deckel das Huldigungsgeschenk der Stadt Wittenberg an den Kurfürsten Johann Georg II. 1657. Er zeigt über ein halbes Jahrhundert nach der ersten Wiederaufnahme gotischer Formen ein neues Bestreben in der gleichen Richtung. Damit stand die Goldschmiedekunst in Hamburg, die sich mit diesem Stück ebenbürtig den Leistungen anderer deutscher Städte zur Seite stellt, nicht etwa vereinzelt. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe besitzt einen fast gleich hohen Pokal einer Schlachterbrüderschaft in Hamburg, das Werk eines Hamburger Meisters von 1661, der unserem Stück sehr nahekommt in all’ seinen technischen Vorzügen und konstruktiven Schwächen. Und zwar so nahe, daß man versucht ist, für beide Pokale an den gleichen Hersteller zu denken, der auch an beiden Werken das gleiche Knorpelwerk als Verzierung angewendet hat. Es wäre wohl möglich, daß das Mitglied einer Hamburger Goldschmiedefamilie, der Verfertiger des Hamburger Pokals, Carsten Christian Mundt, auch unseren Pokal hergestellt hat. Der Wittenberger Pokal hat auffallenderweise keine Meistermarke. Von Wittenberg nach Hamburg war der Verkehr auf der Elbe gut im Gange.

Das wiedererwachte Interesse der Goldschmiede für die allein durch die Treibtechnik zu erzielende Form des Pokals hat gegen Ende des 16. Jahrhunderts auch zu der Einführung eines neuen Pokaltypus geführt, des Traubenpokals auf hohem Schaft. Die eiförmige Gestalt des mit dem Deckel zu einer Einheit verbundenen Pokals ist durch viele von bis zu elf Reihen dicht nebeneinander gedrängten Buckeln ausgebeult, so daß die halbkugeligen Beerenformen sich in die Lücken zwischen den oberen Reihen einschieben, wodurch die Form der einer vollen Weintraube nahekommt. Die Gefäßform wird auch als Ananaspokal bezeichnet, da sie auch mit dieser Südfrucht Verwandtschaft zeigt, indessen ist die Gestalt eines Winzers am Schaft doch ein Zeugnis dafür, daß als Naturvorbild eine Traube empfunden wurde. Dabei wird die Form durch den aufgestülpten Deckel dadurch gewahrt, daß dieser nur als oberer Teil der Traube gebildet ist und die den Rand bildenden Reihen mit Zackenenden in die Randreihe des Gefäßes übergreift. Die ansprechende Form des Gefäßes hat in dem vergoldeten Innern noch eine besonders glückliche Wirkung, indem hier in jeder einzelnen Höhlung jeder Hammerschlag durch kleine Lichtreflexe zu Gesicht kommt. Die Spitze ist gewöhnlich durch eine Vase mit Blumenstrauß gebildet, der zumeist kalt bemalt war. Der Fuß ist dann aber genau so durch eine oder zwei Buckelreihen größerer Form gebildet, wie an den gotisierenden gleichzeitigen