Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/75

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Muskeln und Sehnen unter der Haut in der Bewegung. Die Verbindung des menschlichen mit dem tierischen Körper wirkt vollkommen organisch, sicher eine Frucht des Studiums antiker Vorbilder. Die Behaarung des Pferdekörpers ist nicht minder sorgfältig wiedergegeben, wie Locken und Barthaar des idealisierten männlichen Hauptes. Ebenso bekundet der schlanke jugendliche Körper der auf dem Pferderücken sitzenden Diana genauestes Verständnis der weiblichen Körperbildung. Der Kopf mit dem wohlfrisierten Haar folgt dem von italienischer Kunst beeinflußten Typus der Romanisten, deren Hochschätzung auch einer eleganten Körperhaltung sich in beiden Körpern bemerkbar macht. Beide wohlbedacht Rücken an Rücken zu einer Hauptansicht vereinte Gestalten halten Armbrüste in der Linken, die nach vorn zielende Bewegung des Kentauren steht in der Haltung von Kopf und Armen in glücklichem Rhythmus der Formen zu der dem eben abgeschossenen Pfeil nachblickenden Diana. Alle Zutaten an den Figuren, die Tiermaske vor der Brust des Kentauren, die Schabracke, der Haar- und Brustschmuck der Frau, die begleitenden Jagdhunde auf dem Waldboden, der gravierte Köcher, alles ist mit größter Sorgfalt in feinster Form durchgebildet, ebenso auch die silbernen Beschläge des architektonisch gegliederten schwarzen Holzsockels. Es verdient noch bemerkt zu werden, daß ebenso wie hier die Silberschmiede bei solchen Ausführungen figuraler künstlerischer Modelle auf die Vergoldung zumeist verzichtet haben.

Wenn also Anlaß gegeben ist, das Modell der Gruppe einem der ersten Künstler der Zeit zuzuweisen, so ist doch die Arbeit des Silberschmieds daran nicht geringer anzuschlagen. Denn es hätte dabei durch einen weniger geschickten Meister von dem ursprünglichen Reiz der Körperbildung beider Gestalten doch recht vieles durch die Treibarbeit verdorben werden können. Daß dies nicht geschehen ist und daß dadurch die Gruppe den besten Werken der Kleinplastik ebenbürtig sich zugesellt, das gemahnt uns daran, daß auch noch im Beginn des 17. Jahrhunderts die Goldschmiedewerkstatt, wenn auch nicht mehr die einzige, so doch eine der gediegensten Lehrstätten für die künstlerische Ausbildung auf allen Gebieten der Kunst wie des Kunsthandwerks gewesen ist. Wir werden noch eine Reihe von Werken der Kleinplastik des Silberschmieds im Grünen Gewölbe kennen lernen, die uns erkennen lassen, daß dieser sich nicht damit zufrieden gab, Spielereien aller Art durch seine Arbeit zu veredeln, sondern daß er auch darüber hinaus und ohne solche Rücksichtnahme mit der Kunst des Bildhauers zu wetteifern strebte.