Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 2.pdf/76

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Gleichfalls mit einem in den Sockel eingesetzten Automat ist die Gruppe der Befreiung der Königstochter Cleodolinde von dem Drachen durch den Ritter Sankt Georg auf Tafel 30, allem Anschein nach dasselbe Stück, das 1612 in die Kunstkammer kam und wohl für den Kurfürsten Johann Georg I., r. 1612–1656[WS 1], erworben wurde. Der nach der Meistermarke als Verfertiger anzunehmende Joachim Fries ist sonst bisher noch nicht hervorgetreten. Das silbervergoldete Werk ist durch die vorn im Enteilen aufs Knie gesunkene Jungfrau auf die Wirkung des Umrisses aufgebaut, immerhin wirken die ausgreifenden Vorderhufe des allzu elegant sich bäumenden Pferdes etwas gefährlich. Auch der lange gebogene Hals des kleinen Pferdekopfes und die Bekämpfung des Drachens wirkt konventionell, besser der sich windende Drache.

Ungleich natürlicher ist in Haltung und Bewegung die ohne Automaten gelassene und als ein Werk der Kleinplastik zu bewertende Sankt Georgs-Gruppe des Nürnberger Meisters Hans Keller, Tafel 31, der den Dresdner Hof mehrfach mit Werken seiner Hand beliefert hat, davon diese die bedeutendste und seine beste Arbeit. Bei gleicher Bewegung hebt sich das Pferd mit seinem gedrungenen Hals und bewegten Kopf von dem der Augsburger Gruppe vorteilhaft ab. Die Kontrapostwirkungen von Bein und Arm des Ritters ergeben sich aus der von der rechten Seite aus vorgenommenen Bekämpfung des Drachens, der unbewegt mit dem Lanzenschaft im Rachen als Opfer sich abschlachten lassen muß. Der ovale Schild ist spätere Zutat.

Wieder in Augsburg sind mit Automaten im Sockel ausgestattete Gestalten als Globusträger entstanden, die von echt barockem Formempfinden und freier Herrschaft über die Körperformen Zeugnis ablegen. Wenn die Meistermarke des Herstellers der Treibarbeit richtig auf ein Mitglied der Familie Lencker gedeutet wird, dann würde dies dafür sprechen, daß die früher oft Jahrhunderte hindurch von Geschlecht zu Geschlecht sich fortpflanzende Tätigkeit in einem und demselben zünftigen Handwerk unter günstigen äußeren Bedingungen zu Höchstleistungen zu führen pflegt, wofür ja mannigfache Beispiele bekannt sind. Hier bei diesen Gestalten hat ersichtlich die Augsburger Großplastik den befruchtenden künstlerischen Einfluß ausgeübt. Die Figuren auf Tafel 32 sind als Gegenstücke entstanden, was auch die gleiche naturalistische Sockelbildung als Hügel, bei Christophorus sinngemäß mit strömendem Wasser, bei Herkules mit Waldboden und Amphibien belebt, ferner die gleiche unter der schweren Last gebeugte Haltung der zueinander vorschreitenden Gestalten,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1556