Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 3.pdf/73

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inventarisierte Orpheusuhr wesentlich früher entstanden ist. Dieses Zierstück ist eines der köstlichsten Erzeugnisse der Kleinkunst der deutschen Renaissance. Es ist mit einer Unbefangenheit und Naivität entworfen und ausgeführt, die der antiken Fabel den Stimmungszauber eines deutschen Märchens zu verleihen wußte, und ist dazu mit den kostbarsten Stoffen und der höchsten Kunstfertigkeit aufs liebevollste ausgestattet worden.

Eine anders geartete Kunstweise lernen wir kennen an den italienischen Bergkristallarbeiten des Grünen Gewölbes und an ihrer zumeist goldnen, mit Email und Juwelen verzierten Fassung. Zunächst betrachten wir den hohen Standspiegel auf Tafel 15 u. 16. Der Anteil des Steinschneiders ist dabei auf den Schaft beschränkt und auf die Kristallplatten des Sockels mit eingeschliffenem, symmetrisch stilisierten Pflanzenornament. Der Schaft mit seiner gewundenen Säule über einem vasenförmigen Sockel hat noch nicht den spezifisch italienischen Charakter, wie die Ranken. Die kunstvollere Arbeit hat hierzu der Silber- und der Goldschmied beigetragen. Das Stück gibt mancherlei Rätsel dadurch auf, daß es darin keinen einheitlichen Charakter hat. Die Silberarbeit daran konnte schon daran denken lassen, deutschen Ursprung für möglich zu halten, ich kenne auch heute noch keine ähnlichen italienischen Stücke, mit denen sie verwandt erscheint. Der Aufbau des achteckigen Sockels ist glänzend entwickelt. Den das Ganze tragenden Schildkröten unter den Strebevoluten vor den Kanten entsprechen die grotesken an den abschließenden Wulst des Sockels angelehnten Drachen. Zwischen diesen sind die acht mythologischen Relief-Gestalten in ovalen, von Rollwerk eingefaßten Feldern in langgestreckten Verhältnissen so gebildet, wie damals auch schon deutsche Silberschmiede gearbeitet haben. Für die stilistische Übereinstimmung deutscher und italienischer Arbeiten jener Zeit mag doch eine bisher kaum beachtete Werkstattgemeinschaft in Betracht zu ziehen sein, indem nicht wenige deutsche Silberschmiede einen Teil ihrer Wanderjahre in Italien zugebracht haben.

Nun ist das Auffallende an diesem Spiegel, daß wie der Rahmen des Rundspiegels ebenso auch der Sockel in vergoldetem Silber hergestellt ist, dagegen die figuralen Besatzstücke an jenem in reinem Gold bestehen. Unter den Kristallgefäßen der Schatzkammer werden 1588 neben den in Gold gefaßten Stücken auch solche in silbervergoldeter Fassung aufgezählt, doch keine, woran diese wie hier ungetrennt in Gold und in Silber zugleich besteht. Das macht heute einen geringeren einheitlichen Eindruck, wo die Vergoldung mit der Zeit infolge