Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 4.pdf/20

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Welt der kaum spannenlangen Handwerker, Bauern, Straßenhändler, Komödianten, Bettler, der lächerlichen Kavaliere und Soldaten, das Liliputreich der herrschenden, genießenden und der untertänigen, fröhlich in den Tag lebenden Menschheit. Es lag ein besonderer Reiz für Auge und Geschmack darin, wenn es dem Künstler gelang, körperliches Elend, physische Defekte, die dumpfe Triebhaftigkeit des sozial Entrechteten nicht nur aufs Zierlichste in dem aristokratischen Stoff nachzubilden, sondern diesen Püppchen sogar ein Piedestal von einer materiellen Kostbarkeit zu geben, wie sie das irdische Vorbild kaum je im Traum hätte schauen können. Wie auf der Bühne des Rokokotheaters bewegten sich diese Geschöpfe des dritten Standes vor dem Parterre der Damen und Kavaliere, der höfischen Nichtstuer mit der Harmlosigkeit, die gerade im Gegensatz zu dem verwöhnten Snobismus dieser überzüchteten, in allen Raffinements moralischer und modischer Debauchen heimischen Gesellschaft als Naivität des Herzens bewundert werden mußte. Und neben dieser Komparserie, die keine Diva, keinen Helden, nur eben eine Columbine und einen Harlekin, lustige Personen ohne Pathos und Sentiment kannte, tummelte sich das exotische Gesindel, Neger und Türken, Zigeuner und Chinesen. Hier begegnet das lichte Gelb des Elfenbeins nicht nur dem Kaleidoskop der vielen Juwelen, sondern auch dem Nachtschwarz des Ebenholzes, dem Samtbraun des Palisanders. Schon ein Heimatkünstler wie Simon Troger hatte das blasse Fleisch-Elfenbein seiner alttestamentarischen und mythologischen Heroen durch das Braun des Zuckertannenholzes, das aus den tektonischen Nöten der Zusammenfügung der Werkstücke die Tugend einer malerisch bewegten Kostümierung, zum mindesten Draperie macht, zu morbider Wirkung gesteigert. Der Mohr auf dem Schimmel war die Lösung derselben Aufgabe von der Gegenseite aus. Wie pikant leuchtete das Inkarnat der schlanken Venus aus der Tiefe der Sänftenmuschel, wenn die dunkelhäutigen Sklaven die feingliedrige Last trugen.

Damit sind wir von der Zone des phantastischen Exotismus, wo Orient und Occident nicht mehr zu trennen sind, wieder zu jenen Sphären aufgestiegen, die seit Jahrhunderten der Phantasie der Erdgeborenen ihre göttlichen Pforten offenhalten. Über den Repräsentanten von Adel, Bürger- und Bauernstand, Schauspiel und Opera buffa thronen die Himmlischen in ewiger Jugend. Aus der Renaissance übernimmt die Plastik des Barock nicht nur das Wissen um die mythologischen Tatsachen, um das unerschöpfliche Epos von Stolz und Entsagen, Liebe und Haß, Begierde und Hingabe, das auf dem Olymp und dem