Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 4.pdf/24

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Sa. Susanna in S. Maria di Loreto in Rom (1630) hält. Die Tradition des 19. Jahrhunderts weist sowohl den Bogenschützen wie einen auf dem Rücken schlafenden Amor dem Balthasar Permoser zu. Daß auch letzteres Motiv bei Fiamingo vorkommt, erfahren wir wiederum von Sandrart: seine eigene Sammlung enthält ja, von seinem Freunde geschaffen, „ein nackendes Kindlein, auf dem Rücken liegend“. Wenn nun auch keine der ihm zugeschriebenen Elfenbeinschnitzereien – das für Urban VIII. geschnitzte Kruzifix 1626 ist nicht mit dem in dem Museum des Vatikans erhaltenen zu identifizieren – mit Sicherheit als Werk des vielbeschäftigten Meisters erkannt werden kann, liegt doch kein Grund vor, von den Dresdner Kinderfiguren nicht wenigstens die größere, eben den bogenschnitzenden Amor (Tafel 11 c) ihm und damit dem frühen 17. Jahrhundert zuzuweisen. Die ausgesprochene Ähnlichkeit aber vor allem des Gesichtes dieser Figur mit der des kleinen schlafenden Liebesgottes legt die Vermutung nahe, daß wir auch hier die Hand des Meisters vor uns haben. Von Permoser, der ja in den Jahren 1704–1710 in Berlin war, und dessen vielfache Reisen ihn auch sonst die Kenntnis der Werke Fiamingos vermittelt haben, wissen wir aus der zweiten Hälfte seines Lebens nichts über die Beschäftigung mit der mühevollen Kunst der Elfenbeinschnitzerei. Die Ähnlichkeit einzelner größerer Steinskulpturen mit dem Typus bezeugt nur, daß auch er sich dem Einfluß des Meisters nicht hat entziehen können.

War den süddeutschen Meistern die klassische Form, deren Kenntnis die Alpenländer mit ihrem starken Einschlag italienischen Schönheitsempfindens vermittelten, und damit die Freude an dem naturnahen Körper des Südländers nicht fremd, so mied die Lust am Fabulieren bei ihnen auch nicht die Gebiete der charaktervollen Verwitterung und Verzerrung des leiblichen Organismus, des Häßlichen, des Grotesken und Skurrilen. Schon im 17. Jahrhundert zeigen sich Ansätze einer figürlichen Plastik, die alles, was den unteren Ständen angehört, vor allem Bauern und Bettler, mit besonderer realistischer Ausführlichkeit wiedergibt. Auch dort, wo das Thema, religiöser oder mythologischer Art, es nicht bei den Nebenfiguren der Handlung unmittelbar fordert. So entstehen Einzelszenen und Gruppen, die als sittengeschichtliche Dokumente ebenso kennenswert sind wie als solche eines Realismus, der in der Genremalerei der Holländer noch stärkere Parallelen hat wie in der mehr dekorativ eingestellten Malerei der süddeutschen Meister. Dazu gehört auch die Gruppe der schreitenden Vagabunden (Tafel 8 a), die in ihrem Aufbau wie in der merkwürdig übertriebenen