Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 4.pdf/29

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Kraft hin, die das Pesarograbmal auszeichnet. Charakteristisch ist allen diesen Köpfen die schwere, füllige Unterlippe und der matte, verschwommene Blick des Auges.

So bleibt der Schöpfer der Reihe von Bildwerken, die sich an die technisch vollendete Gruppe des Sabinerinraubes anschließt, unbekannt. Vielleicht ist er eher in Süddeutschland zu Hause als in Sachsen; daß er Leonhard Kern und Andreas Feistenberger gleich nahe steht, macht sein Ansehen nicht geringer. Eine Figur indessen, wie die Venus mit dem Spiegel (Tafel 11 b), fügt sich nicht in diese Reihe ein: das feine Profil mit der anmutigen Bildung des Mundes vor allem weist auf einen Geschmack hin, der vielleicht von französischen Vorbildern beeinflußt ist.

Als Balthasar Permoser nach Dresden kam, war Melchior Barthel schon lange tot. In Florenz, vor allem in Venedig muß er den Spuren des Bildhauers nachgegangen sein, der wie wenig Andere seiner Zeit dazu beigetragen hatte, das Ansehen deutscher Kunst jenseits der Alpen zu festigen. Als Hofbildhauer am Hofe der sächsischen Kürfürsten zwar mit Schöpfungen der Großplastik vor allem beschäftigt, hat er sich doch auch bald der Elfenbeinschnitzerei zugewandt. Das Datum 1695 auf der Braunschweiger Ceres mag als Ausgangspunkt für die Zuweisung und Datierung einer größeren Gruppe derartiger Arbeiten dienen, von denen das Grüne Gewölbe, wie auch aus der oft zitierten Grabschrift hervorgeht, die hervorragendsten sein eigen nennt. Das Medaillonbildnis Kurfürst Johann Georgs IV. in Berlin kann ja nur wenige Jahre vor der Folge allegorischer Gestalten sein, die dann, wohl ein Jahrzehnt später, als Verkörperungen der Jahreszeiten wohl auf Grund eines besonderen Auftrags, ihre Auferstehung in vollendeterer Form erlebten. Die herkömmlichen Begriffe „Barock“ und „Rokoko“ scheinen in diesen Schöpfungen in kaum lösbare zeitliche Verwirrung geraten zu sein. Der Dresdner „Frühling“ (Tafel 21 c) steht, in der koketten Lockerheit der Standmotive mit den gekreuzten Beinen, in der Verschmelzung des sich anschmiegenden Putto mit dem Motiv des Mantelbausches, in dem süßlich-schwärmerischen Lächeln am Ausgangspunkt der stilistischen Entwicklung. Wenn der Putto in dem der Herkulesgruppe (Tafel 21 b) sein Gegenstück findet, so der erhobene Arm des Sommers in dem der Omphale, der das Löwenfell des entmannten Heroen mit so bewußter Gefallsucht über den Kopf zieht. In der Gewalt, mit der das Spiel der Schatten durch ein virtuoses Auf und Ab der Tiefen zur Steigerung der bewegten Form herangezogen wird, ist sowohl der Herbst