Seite:Sponsel Grünes Gewölbe Band 4.pdf/46

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wären, als sie sich 1616 an der Erschaffung des Grabmals für ihren Meister beteiligten, nicht aus eigener Kraft zu der freien und doch innerlich bewegten Form gelangt, die diese Arbeit als reifes Erzeugnis der Spätrenaissance kennzeichnet. Wenn Walther, wie Brinckmann, Barockskulptur S. 194, annimmt, auch das Abendmahl auf dem alten Hochaltar der Sophienkirche geschaffen hat, muß diese Arbeit als frühestes Zeugnis der italienischen Elemente im Schaffen dieses Meisters bezeichnet werden. Er hat dann, Nossenis Nachfolger als „Kurfürstlicher Architectus und Statuarius“, den Umbau des von jenem 1589 begonnenen Lusthauses auf der Jungfernbastei geleitet, das freilich auch bei seinem Tode, 1645, noch nicht vollendet war. Ausgangspunkt jeder Beurteilung des plastischen Spätstils muß immer das schöne Alabasterrelief mit der Verkündigung an die Hirten bleiben (Tafel 37). Es kam noch unter Johann Georg II. in die Kunstkammer, und der Name seines Schöpfers blieb dort stets bekannt. Auch hier ist, ähnlich wie in den Reliefs von Dell, ein Übermaß an kleiner Form zu finden, das mit der fast klassischen Ausgeglichenheit einzelner Figuren, wie der des lautespielenden Engels, in Widerspruch steht. Hat sich das Auge erst in dem krausen Vielerlei der Wolken, Bäume, Geräte, Strahlen zurechtgefunden, erkennt es die Eurythmie eines Bildaufbaus, der den schönen Bogen des Schriftenbandes als Ausklang der Engelglorie in den großen musizierenden Engel aufnimmt und dann, in den Vierergruppen am Boden, durch eine überlegene Verteilung der Schatten zum zweiten Male wiederkehrt.

Zu dem sanften Lyrismus der Komposition des sächsischen Meisters steht das dramatische Furioso der Sankt-Michaelgruppe (Tafel 62) im schärfsten Gegensatz. Virtuos auch hier das Handwerkliche: wie dort die Weichheit des Alabasters, dem modellierten Wachs, ähnlich die Behandlung bestimmt, so hier die zur feinsten Aushöhlung, zur schärfsten Kante geeignete Härte des Lindenholzes. Da die Gruppe erst im 18. Jahrhundert, seltsamerweise in Hamburg, gekauft wurde, wissen wir nichts Quellenmäßiges über ihre Herkunft. Deutlich ist ihre Zugehörigkeit zu der Gruppe von Michaelsstatuen in Süddeutschland, die an der Michaelskirche in München durch Hubert Gerhard, am Zeughaus in Augsburg durch Hans Reichle ihre klassischen Typen erhielten. Als Komposition steht sie mit der Münchner in enger Beziehung. Der Erzengel ist nach Geste und Gewandung fast ein Bruder des Dresdners. Veränderungen betreffen die Arme, die dort höher hinauf am Lanzenschaft greifen, die stärkere Neigung des Hauptes hier, die Füße, von denen hier nur der Linke auf dem