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Zum ersten Male erscheint Island und zwar unter dem classischen Namen Thule (Dicuil 7, 2, 6).

Fossatum ist ein in Einhard’s Annalen gebrauchter Name für Abbâsija.

In Bezug auf die Schreibung der arabischen Namen auf dieser Karte, sowie auf den später folgenden, bin ich Herrn Professor Pertsch in Gotha für seine bereitwilligst mir ertheilten Aufklärungen dankbarst verpflichtet.


Europa Nr. 4. Europa zur Zeit der Herstellung des abendländischen Kaiserthums durch Otto I. (962). Mst. 1 : 15 000 000. Von Th. Menke.

Kaum anderthalb hundert Jahre waren nöthig gewesen, um Europa eine, im Vergleich zu dem letzten Uebersichtsblatte dieses Atlas (Nr. 3), so bedeutend veränderte Gestalt zu geben. Beginnen wir bei dem Westen.

Das Königreich Leon, der Haupttheil des den Nachkommen der Gothen gebliebenen christlichen Gebietes, ist südlich gegen die Länder der Mauren hin bis an den Duero erweitert.

Das Gebiet der Vasconen, in seinen flacheren Gegenden unter Karl dem Grossen vorübergehend den Franken unterworfen, ward bald unabhängig, und im Anfange des X. Jahrhunderts erscheint bereits Sancho I. als König von Pampeluna.

Der grösste und schönste südliche Theil der Halbinsel war noch in den Händen der Omaijaden, die beim Verfalle des Frankenreichs die Balearen gewonnen hatten und sich seit 929 Khalîfen nannten. Fraxinetum in Burgund war eine Niederlassung spanischer Mauren.

In Frankreich, dem einen Haupttheil des durch den Vertrag zu Verdun 843 getrennten grossen Frankenreiches, herrschte noch die Familie der Karolinger. Das eigentliche Gebiet dieser Könige war aber gegenüber den mächtigen Lehnsträgern, den Herzogen von Aquitanien, Vasconien und Burgund, den Grafen von Tolosa, Champagne und Flandern, den normannischen und bretagnischen Herzogen, nur sehr unbedeutend.

Das Königreich Burgund, gleichfalls aus dem fränkischen Reiche hervorgegangen, hatte 910 den Matiscensis und um 928 Uceticus, Vivariensis und den westlich von der Rhône gelegenen Theil von Lugdunensis an Frankreich verloren und 922 den Argowe (darin Basel) von Deutschland abgetreten erhalten.

Aus der östlichen Hälfte des grossen Frankenreichs, mit welcher 925 auch Lothringen[1] dauernd vereinigt wurde, war das deutsche Reich entstanden, das seine Herrschaft bereits weit in Sclavanien hinein erstreckte. Selbst ein Theil von Polen war ihm tributär. Der böhmische Herzog war dem deutschen Könige lehenspflichtig, und unter ihm stand seit 955 Mähren und zwar in den Grenzen, die die in einem Transsumpt erhaltene Stiftungsurkunde des Bisthums Prag angiebt. Selbst die Chrobaten an der oberen Weichsel erkannten die Oberhoheit des deutschen Königs an. Die Magyaren, seit dem Ende des IX. Jahrhunderts in Pannonien ansässig, waren 955 auf dem Lechfelde bezwungen und die Mark Ostarrichi, bisher ein Tummelplatz magyarischer Streifzüge, gelangte allmälig wieder in deutschen Besitz. Endlich war auch das Königreich Italien dem deutschen Reiche gewonnen und die römische Kaiserkrone auf Otto’s I. Haupt gesetzt. Im Süden der Halbinsel bestanden noch die langobardischen Fürstenthümer Capua, Beneventum und Salernum und die oströmischen Themen Longobardia und Calabria. Sicilien war im Besitze der Fâtimiden.

England war seit 827 ein einziges Königreich im Stamme des westsächsischen Hauses. Von der nördlichen Hälfte der Insel, dem nunmehr vereinigten Königreiche Schottland, dem 946 Cumbraland vom englischen Könige Eadmund abgetreten war, hat die Geschichte uns für diese Zeit kaum mehr als eine Reihe von ungewissen Königsnamen aufbewahrt. In Irland verwilderte das Volk, das sich nach einheimischen Sagen und mehreren Angaben der ältesten Hagiographen einst nicht unbedeutender Bildung erfreut und unter dem zuerst das Licht des Evangeliums in diesen nördlichen Gegenden geleuchtet hatte, durch die unausgesetzten inneren Kämpfe und die Angriffe der ostmannischen Seeräuber immer mehr.

Die vielen kleinen Striche in Norwegen waren durch die Siege des Königs Harald Schönhaar, der von 863 bis 933 regierte und seine Residenz zu Lade gründete, vereinigt worden. Viele von den der Freiheit gewohnten Normannen entflohen aber seiner Botmässigkeit und bevölkerten das von den Fär-Öer aus entdeckte Island, zuerst Snaeland genannt.

Die Angaben über Schwedens innere Geschichte sind um diese Zeit noch sehr unsicher.

Von Dänemark war schon mehr Kunde im angrenzenden Deutschland verbreitet. Dort waren bereits in der ersten Hälfte des IX. Jahrhunderts die Kirchen zu Schleswig, Ripen und Aarhus gegründet worden, die Könige des Festlands, besonders von Jütland, waren dem Inselkönige auf Seeland um 870 unterworfen; von Kaiser Heinrich I. ward 931 die Mark Schleswig gegründet und Otto der Grosse war, gereizt durch die steten Angriffe des dänischen Königs Gorm des Alten, siegreich bis an den nach ihm benannten Ottensund vorgedrungen. Das Danewirk blieb Grenze des Reichs, zu dem auch die zwischen 935 und 960 an der pommerschen Küste gegründete Seeräuberrepublik Jomsburg gehörte.

Die übrigen nordischen Völker, Finnen, Ostseeslawen und Letten, hatten sich, einzelne Angriffe an den Grenzen abgerechnet, grossentheils unabhängig erhalten.

Eine um so grössere Veränderung aber war bei den Binnenslawen und den ihnen benachbarten finnischen Stämmen in dem grossen Flachlande an der oberen Wolga, dem


  1. Zu Lothringen gehörte auch der Gau Castrensis, was bisher, auch von mir bei der Bearbeitung von Nr. 31 (Deutschland I), übersehen ist. Die östliche Diöcesengrenze von Remensis war also nicht die Grenze zwischen Lothringen und Frankreich. Gauörter des Castrensis finde ich nur in drei Urkunden und in einer Stelle bei Flodoard (auch bei Richer). Ausserdem sind Sedens, Breveliacus, Amblinimons, Remeliacus, Rovericurtis und einige andere auf Nr. 31 (Deutschland I) gelegentlich nachzutragende Oerter in dieser Periode nachweislich lothringisch.
Empfohlene Zitierweise:
Theodor Menke, Karl Spruner von Merz u. A.: Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit . Justus Perthes, Gotha 1880, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Spruner-Menke_Handatlas_1880_Text.pdf/36&oldid=- (Version vom 28.11.2016)