Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/216

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

– Auf Dein Wort!

– Auf mein Wort! Ich heiße O’Rayle!

Cosmo ließ als einen Vorschmack einige Rollen mit Ducaten in die unergründlichen Taschen des Soldaten gleiten; dann empfahlen sich die Pfaffen. Der Trompeter aber ging spät Abends zu der Geliebten. Sie hatte nicht zu viel behauptet, als sie sich ihres Einflusses über ihn rühmte. Durch ihre Beredtsamkeit, durch ihre Liebkosungen brachte sie ihn so weit, daß er schwor, die beiden Verführer niederzustoßen, wenn sie wagen sollten, wieder zu kommen.

Seltsamerweise kamen sie nicht. Mazarin war zu gut bedient, als daß er nicht richtig hätte wittern sollen. In derselben Nacht noch reisete er auf Jemappes nach Paris.

Daniel O’Rayle aber ward von Stuart in Dienst genommen; er war einer der Herolde, welche den Antritt des neuen Königs Karl’s II. später in London verkündigten. Er hatte sich mit Sophia Grévy verheirathet.




Esther und Ahasverus.

Schönheit scheint kein seltenes Erbtheil der Töchter Israels gewesen zu sein; denn die jüdische Geschichte ist reich an Frauen, deren Reize hochgepriesen worden.

Sara, die Stammmutter, war so schön, daß Abraham sie, als er zum König Abi Melech zog, für seine Schwester ausgab, weil er der schönen Frau wegen ermordet zu werden fürchtete. Isaaks Gattin, Rebecca; Jacobs Rahel, die Mutter des Joseph; Davids Bathseba, die Mutter des Königs Salomo, und viele Andere werden wegen ihrer Schönheit gefeiert. Besonders ist dies bei der Judith, der Mörderin des Holofernes, und bei der durch Daniel von ihren Verfolgern erretteten Susanna der Fall.

Alle aber müssen, wie Sterne vor der Sonne, vor der „schönen Esther“ erbleichen. Sie ist die schönste Jüdin, von welcher erzählt wird; sie besaß alles Das in Wirklichkeit, was der Dichter des Hohenliedes von der Suleimith nur singt. Esther ist die wahre Blume von Saron, die Rose im Thale. Die Schönheitsprobe, welche sie bestehen mußte, ist wahrhaft großartig. Als König Ahasverus von Persien und Medien seine eigensinnige Königin Vasthi verstieß, wurden aus dem ganzen ungeheuern Reiche von districtweise angestellten „Schauern“ die schönsten Mädchen ausgewählt, damit der Perser-Sultan die Schönste der Schönen als Herrscherin neben sich auf den Thron setze. Es war ein verwaisetes Kind der Gefangenen aus Jerusalem, ein armes Judenmädchen, welches den Preis über alle ihre Mitbewerberinnen davon trug. Ihre Schönheit allein hatte das Herz des Gewaltigen zu rühren vermocht.

Wahrhaft berauschend, einen feenhaften Blick auf den Glanz des alten Orients, des dichterischen Persiens, eröffnend, erscheint die Vorbereitung der Jungfrauen, um vor dem Könige zu erscheinen. Monate lang wurden sie geschmückt, in Wohlgerüchen und Specereien und Balsamen gebadet, um dem Herrscher eine Nacht nahen zu dürfen. Die Schilderung, wie Esther endlich vor Ahasverus erscheint, ist fast harmlos geschrieben, aber unwiderstehlich hinreißend.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/216&oldid=- (Version vom 1.8.2018)