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hinaus. Trombona öffnete die Fenster sammt der Hausthür und horchte. Eine halbe Stunde verging in ängstlicher Weise. Da kam eine in einen Mantel gehüllte, triefende, schwankende Gestalt daher, die eine Hand weit vorgestreckt, als sähe sie nicht mehr, und stürzte in des Italieners Gemach. Es war Erasmus, der zu Füßen seines verrätherischen Freundes niedersank, noch einen Blick auf ihn richtete und, indeß er vergebens zu sprechen versuchte, starb. –

Trombona nahm die Schlüssel, welche der Chemiker unter seinem Marderpelze verbarg, und eilte nach dessen Wohnung. Er rührte das Gold nicht an; nur das Geheimniß – das Geheimniß wollte er finden. Er sah ein Papierpaket, mit der Aufschrift: „Perlen“!

O Schrecken! Es war in Chiffern geschrieben, die der Mörder nicht kannte, nicht zu lösen vermochte, deren Schlüssel im Haupte des Meisters begraben lag!

Gaetano ging, den Tod im Herzen, nach seiner eigenen Wohnung zurück, brachte die Leiche des Chemikers nach seinem Hause, rührte kein Goldstück, keine Perle an, und verschwand mit seinen Corsikanern noch in derselben Nacht.

Von Smyrna aus kam sein Brief an den Magistrat von Amsterdam, welcher diese eben so eigenthümliche als düstere Geschichte enthüllte.




Reitergefecht.
Von Wouvermann.

Majestätisch und furchtbar breitete sich das Lager der Spanier im Jahre 1604 vor dem alten Ostende aus. Ein Tod und Verderben schleudernder Gürtel zogen sich die Schanzen und Laufgräben um die Stadt, und hohe Bewunderung mußte selbst das Herz des Feindes erfüllen, wenn er bedachte, daß die geängstigte Stadt dieser ununterbrochenen Reihe von Kanonen- und Karthaunenmündungen schon drei volle Jahre und drei Monate unerschütterlich getrotzt hatte.

Ostende war ein Steinhaufen, aber die Besatzung sammt der Bürgerschaft schien fest entschlossen, sich lieber unter den Trümmern zu begraben, als den Spaniern, von denen bereits hunderttausend Mann vor den Wällen dieser Seestadt gefallen waren, die Thore zu öffnen.

Ganz Europa hielt auf die Belagerung und auf den genialen Feldherrn der Spanier, den genuesischen Condotterie, Marquis Ambrosio Spinola, unverwandt das Auge gerichtet. Spinola, der sich vom Führer einer Zahl von 9000 Wallonen, die Jedem diente, welcher sie bezahlte, rasch zum Feldherrn Philipps III. aufgeschwungen hatte, fühlte zu klar, daß sein ganzer zukünftiger Feldherrn-Ruhm von der Einnahme Ostende’s abhängen werde, und er setzte daher den Niederländern eine Eisenfestigkeit entgegen, die mindestens der ihrigen nicht nachstand. Zugleich wandte er seine ausgezeichnete Verschlagenheit unermüdlich an, um das durch eine Ueberrumpelung, durch List und Verrätherei zu erreichen, was er bisher mit der blanken Waffe nicht hatte ins Werk richten können. Aber kein Verräther wollte erscheinen; der National- und Glaubenshaß der Niederländer gegen ihre spanischen Tyrannen und Henker war so heftig und unbestechlich, daß die holländischen Kriegsleute, welche in die Hände der Spanier fielen, lieber

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)