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als Caravaggio erreichte er diesen Meister jedoch so wenig, wie er die Caracci erreichte. Guercino’s am meisten geschätzte Bilder stammen aus dieser seiner zweiten Epoche, wie Hagar’s Verstoßung, zu Mailand befindlich, und auch unser Bild, Loch mit seinen Töchtern.

Noch immer hatte Guercino aus seiner ersten Periode eine fast ängstliche Sauberkeit und Zierlichkeit der Malerei bewahrt, welche bei ihm die Stelle der Anmuth seiner Schöpfungen vertritt. Bald ward diese Zierlichkeit und das Liebliche, welches da Caravaggio so wenig für sich beanspruchen konnte, um so mehr der Augenpunct Guercino’s, als Guido Reni auf diesem Wege seine ungeheuren Erfolge errang.

Guercino arbeitete sich mit eben der Leichtigkeit in den Styl dieses bewunderten Meisters ein, womit er den Caracci und dem Caravaggio gefolgt war. Alles wird bei ihm jetzt weicher, aber auch ausdrucksloser, die Färbung verliert an Kühnheit, und nur in wenigen Bildern gelingt es ihm, seine immer vortreffliche Zeichnung mit der Kraft und der genialen Charakteristik des Caravaggio und der sanften Anmuth Guido Reni’s zu vermählen. Hier erreicht Guercino im Sanct Bruno zu Bologna zum Beispiel nicht allein den Reni, sondern weiß sich auch eine Eigenthümlichkeit in seinen Schöpfungen zu sichern, die ihm sonst meistens abgeht. Guercino malte eine ungeheure Menge von Altarbildern und viele Fresco-Gemälde u. s. w., an denen zum Theil Schüler aus seiner in Bologna gestifteten Akademie mit arbeiteten. Da der Meister selbst in seinen Kunstschöpfungen schwankte, so konnte diese Akademie für die Kunst keine bedeutende Folge erringen.

Der Gegenstand des hier gewählten Bildes, welches die Größe kräftig andeutet, die der Maler auf seinem zweiten Wege errungen haben würde, ist bekannt. Sodom und Gomorrha werden vom Feuer des Himmels verzehrt, es „geht Dampf auf von der ganzen Gegend, wie von einem feurigen Ofen“, und Loth, der von Engeln Errettete, hält mit seinen Töchtern auf dem Berge Rast, auf welchem seine spätere Zuflucht, das Städchen Zoar, in der Vulgata Segor, das heißt, klein, wenig, genannt, liegt. Die statuenartige Gestalt in der Ferne ist Loths Weib, welche „sich, dem Verbote zuwider, nach Sodom umsah, und in eine Salzsäule verwandelt wurde“.




Der Abend.
Von Johann Both.

Auf der Piazza del Popolo in Rom hielten an einem schönen Septembertage des Jahres 1649 „hoch zu Rosse“ drei Reiter in einem Kreise von etwa einem Dutzend feingekleideter Herren, die sich durch Tracht und Manieren schon dem Entfernteren als Fremde, und zwar als Maler ankündigten. Auch die Reiter waren ersichtlich Maler und sie schienen im Begriffe zu stehen, eine der sogenannten Scenenjägereien anzutreten. Man händigte ihnen von mehrern Seiten Zettel mit Adressen von Bekannten, von Gastwirthen und Klöstern ein, man machte sie auf malerische Gegenden mit großer Lebhaftigkeit aufmerksam, so daß der eine Maler kaum seine Finger rasch genug bewegen konnte, um alle diese Notizen aufzufassen und in seine dicke Schreibtafel

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/398&oldid=- (Version vom 1.8.2018)