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den Andreas in so weit, daß er Figuren ganz im Sinne des Zechlustigen vollendete, welche dieser halb ausgemalt hatte.

Diese Drei waren am zweiten Tage ihrer Reise gegen Nachmittags unterwegs und kehrten, auf Betrieb des durstigen Anderies, in einer elenden Gastwirthschaft an der Straße ein. Johann protestirte vergebens, du Jardin fluchte seine besten pariser Patentflüche; aber Andreas war in einigen Punkten, namentlich wenn es Trinken betraf, durchaus unlenksam. Er stieg rasch vom Pferde ab und zeigte den beiden Widerstrebenden durch das zerbrochene Fenster des Wirthshausstübchens fünf total betrunkene Bauern und einen Mönch mit einem großen Bettelsacke, die er sogleich zu zeichnen begann. Dies waren dieselben Personen, welche auf zwei von Andreas’ radirten Blättern verewigt sind – Blätter, die einen um so größeren Werth besitzen, als sie fast verschollen sind. Als der dicke, die Bauern haranguirende Mönch mit dem Sacke, halb fertig war, stieg Charles du Jardin eiligst vom Pferde, machte sein kleines Zeichnenbrett fertig und wollte in das Innere des Wirthshauses dringen, um die Betrunkenen zu zeichnen.

Pompeo sprang herzu.

– Ich bitte Euch, Herr Franzose, rief er, bleibt nur das Mal aus dieser Banditenstube; namentlich unterfangt Euch nicht, den Leuten Eure Zeichnenapparate sehen zu lassen; denn sie sind der Meinung, daß jeder abgemalte Mensch binnen einem Jahre sterben müsse.

– Die abgemalten Menschen sterben nie; wenigstens unsere nicht, Andreas! rief der dicke Franzmann und drang, trotz Zwiebel- und Knoblauchduft, kühn in dieses zweite Gasthaus zu Terracina. Um sich der Freundschaft der Landleute zu versichern, ließ er Jedem einen Krug Romagnawein einschenken und fing herzhaft zu zeichnen an. Anderies erschien auch, triumphirend fünf leere Weinkrüge, während seiner Arbeit von ihm geleert, und die Arbeit selbst, den Sack-Mönch, mitbringend. Er setzte den Mönch von der künstlerischen Apotheose desselben ziemlich somnambul in Kenntniß und legte dadurch den Grund zu der nachfolgenden Katastrophe. Der Frate, hochentrüstet, hielt eine wahre Kreuzpredigt gegen die drei fremden Ketzer, die er einer Art von crimen laesae majestatis beschuldigte.

Die Bauern erhoben sich. Sie forderten Wein und immer mehr Wein, sperrten hinter dem eben eintretenden Johann Both die Thüre und fingen, als Anderies seine schmale Börse nicht weiter zu Gunsten dieser Durstigen anstrengen zu wollen erklärte, an, die Künstler in eine der regelmäßigsten und hartnäckigsten Prügeleien zu verwickeln, die je von Scenenjägern bestanden wurden. Du Jardin wollte seinen Degen gebrauchen; er ward ihm zerbrochen und mit den Enden ward sein fetter, zarter Rücken wie ein Rinderbraten vor dem Schmoren durchgeklopft. Anderies wehrte sich, auf der Erde liegend, mit Händen und Füßen so nachdrücklich, daß ihm die geringste Portion zugemessen wurde; Johann, der weichmüthige, ließ sich dagegen widerstandlos durchprügeln.

Als die Bauern und der Mönch, denn auch dieser hatte tapfer mitgefochten, endlich ermüdet waren, gaben sie die Reisenden frei. Halb sinnlos taumelten diese zur Hütte hinaus, wo sie der feige Pompeo heulend empfing.

– Warum, Du Canaille, hast Du uns im Stich gelassen? schrie der mit purpurglühenden Wangen prangende Du Jardin.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/409&oldid=- (Version vom 1.8.2018)