Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/44

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Italiener: er jauchzte laut auf, und rief in seiner Muttersprache, als der Niederländer mit dem Schwert an der Seite vor ihm stand:

– Zu Fuß, mein Bursche? Du marschirst geradeswegs von Ostende durch den Kanal? Durch den Kanal, den ich zwanzigmal messen ließ, um zu erfahren, daß er sechzehn Fuß tief ist? Ich würde Dich umarmen, wärst Du weniger triefend … Spanier, ich sag’s Euch, Ostende ist morgen in dieser meiner Hand!

Und stolz streckte er die mit dem prachtvollen Stulphandschuhe von Toledo bekleidete Rechte empor.

Der Jüngling, der Geliebte der Müllerin, welche halbohnmächtig dieser Scene zuschaute, war nicht so schwierig wie diese. Er bedung sich Sicherheit für sich und seine Geliebte aus, und gestand, daß eben an dem Platze, welchen er überschritten habe, sich ein schmaler Damm befinde, welcher den Kanal durchschneide, daß durch die Ueberschwemmung jedoch derselbe unter Wasser gekommen sei …

Spinola bestieg hierauf sein Roß, um sofort seine Dispositionen zum Angriff auf Ostende zu machen.

Indeß dieß neben der Brücke verhandelt wurde, erscholl plötzlich donnernder Hufschlag, und von der Seite her kamen niederländische Reiter; sie sprengten unter dem weitgewölbten Brückenbogen hervor und machten mit Schwert und Faustrohr und Muskete einen wüthenden Angriff auf Spinola und seine Wallonen und Navarresen. In einem Augenblicke wälzten sich zwei Spanier getroffen am Boden; und immer nach rückten unter dem Geschrei: Oranien boven! neue Gesichter, durch den Pulverdampf sichtbar, auf schnaubenden Rossen vorwärts und hieben die Wallonen nieder.

– Rettet den Feldherrn! schrien die Wallonen und sprengten vor, um Spinola mit ihren Klingen und Körpern zu schützen.

– Wo ist dieser spanische Mörder? rief eine prächtige, vibrirende Stimme durch den Tumult. Und auf einem wunderschönen Schimmel sprengte ein Reiter auf Spinola zu und feuerte sein Pistol ab. Spinola ließ geschickt sein Pferd sich bäumen; in die Brust getroffen sank der schwarze, andalusische Hengst zusammen. Zugleich zückte der Niederländer in mächtigem Hiebe sein Schwert. Aber der spanische Feldherr, gewandt wie vielleicht keiner seiner Reiter, zog den Fuß aus dem Bügel, ergriff das Pistol und schlug an.

– Moritz Oranien ists selbst! schrien die Navarresen, indeß sie mit den Piken auf den Schimmelreiter eindrangen. Heute kein Quartier! – Macht ihn nieder, Cameraden!

Oranien! – Das Wort traf den großen spanischen Capitano blitzähnlich. Das war sein nicht minder großer Gegner – zwei der ersten Feldherren ihres Jahrhunderts standen sich persönlich fechtend gegenüber. Der Schuß, welchen Spinola à bout portant auf den Prinzen abfeuerte, ging fehl … Oranien war durch Nennung seines Namens gerettet und Spinola sprang vorwärts, ergriff ein reiterloses Pferd und dachte an den Rückzug aus diesem mörderischen Engagement.

Inzwischen waren die niederländischen Fußgänger herangekommen und nahmen den Kampf mit den Navarresen auf. Die Spanier flohen auf die Mühle, und keine zehn Minuten, so war

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)