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– Jetzt geht! drängte sie. Ihr wißt ja jetzt – und wir wissen auch – sollt Nachricht haben!

– Aus Gnade, noch ein Wort . . . Wann? Wann?

Agathe blickte sinnend auf einen Fleck, dann faßte sie den alten Herrn fest ins Auge.

– Ihr wollt’s . . . erwiderte sie und ihre Stimme hatte einen eigenthümlichen, fast boshaften Ton angenommen. Sollt Euren Willen haben. Haltet Euch bereit . . . Nachricht wenigstens erhaltet Ihr in Zeit von einer Stunde. Nun aber: lebt wohl!

Slyker, sein Kästchen mit Tulpenzwiebeln unter’m Arm widerstrebte nicht, um die Alte nicht etwa in üble Laune zu versetzen, sondern empfahl sich und ging nach der Thür. Er war fast berauscht vor Freude. Als er auf die Straße kam, mußte er, ein amsterdamer Kind, still stehen und sich erst besinnen, welchen Weg er denn einzuschlagen habe, um nach seiner Wohnung zu gelangen.

Zu Hause angekommen, warf er sich in größter Bewegung auf sein glänzendes Lotterbettlein. Dann sprang er auf und musterte sich im Spiegel. Der sonst so kalte und unerschütterliche Hagestolz, in seinem Alter von dem Strahl aus den schönen Augen einer jungen Dame fast zauberhaft berührt, empfand das volle Fieber von Qual, Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Sehnsucht, welches im Frühling der Gefühle die jugendliche Brust durchzuckt.

Indeß der Alte, mit großen Schritten auf und abmarschirend und wie ein neuer Roscius gesticulirend, einen glänzenden Monolog hielt, steckte die alte Agathe plötzlich den Kopf in’s Zimmer.

Slyker schrie fast auf. Die Dame trat ein und machte ihm eine Meldung, die er selbst in seinen kühnsten Phantasien, wenigstens noch heute Abend nicht, für möglich gehalten hatte.

Wir sind die vermittelnde Scene dem Leser noch schuldig.

Als Mynheer Slyker den Palast Leuwenbroek verlassen hatte, sah Hendrik die alte Agathe starr an; dann setzten Beide die Hände in die Seiten und fingen auf’s Signal ein Lachduett an, welches kein Ende nehmen zu wollen schien. – Beide hatten sich vollkommen verstanden.

– Aber wie, gute Agathe? brachte Hendrik dann hervor. Wie soll dieser Schwachkopf bestraft werden? Ich sehe, daß ich ihm gegenüber, wenn ich mich mit Dir vergleiche, eine alberne, durchaus der Gewandtheit ermangelnde Rolle gespielt habe. Ich überlasse es daher Dir, die Züchtigung dieses Narren zu unserer Revanche und zu seinem Wohle zu bestimmen. Sie darf aber weder zu gelinde, noch zu grausam sein . . .

– „Etwas Grausamkeit ist spanische Mode,“ sagte Moritz, als der spanische Cardinal-Legat für Oldenbarnevelt bat! erwiderte Agathe sehr heiter. Ich versichere Euch, Ihr sollt zufrieden sein und Mynheer Slyker ebenfalls. Laßt uns gleich Hand an’s Werk legen.

– An welches Werk? flötete eine weiche Stimme dicht hinter den Verschwörern.

Elizabeth Leuwenbroek wars, in der That reitzend genug, um einem Dutzend der „ehrenfestesten“ alten Rathsherren die Köpfe zu verdrehen. Sie lauschte halbernst auf die Nachricht von dem Besuche des Herrn Slyker, verdammte aber, obgleich ihr der ganze verliebte Unsinn desselben berichtet war, dennoch die beabsichtigte Züchtigung des Alten.

– Ich verbiete Euch, sagte sie eindringlich, Euch an dem Menschen zu vergreifen, laßt

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/470&oldid=- (Version vom 1.8.2018)