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ihn mit seiner Marotte seinen Weg gehen; denn er ist seiner Ueberspanntheit wegen eher zu bemitleiden als zu verdammen . . .

Hendrik murmelte und Agathe schüttelte den Kopf, als Elizabeth abging.

– Wir werden dennoch? fragte der Jüngling.

– Sicher! Wer kehrt sich an die Dame? Sie hat schon Mitleid mit dem Narren, weil er sie schön findet . . . Gut, Mynheer Slyker, wir werden wetten, daß Ihr sobald Niemand wieder mit Euren Huldigungen beglücken sollt, um Euch das Mitleid einer schönen Dame zu erschleichen! – Baron Hendrik, laßt Pieter und Dirk und Jan kommen, wir gehen sofort ab, um unseren Plan auszuführen. Daß die Leute aber ordentliche Stöcke mitnehmen . . .

– Aber geschlagen wird er auf keinen Fall! meinte Hendrik rasch.

– Fügen muß er sich, fügen, und da werden die Stäbe nicht unnütz sein.

Die drei Trabanten erschienen mit ihren Stöcken. Jan, der Koch, war jung, mit einer dicken Pelzmütze auf dem Kopfe; Dirk war der Jäger, ein durchwettertes Gesicht, und Pieter, mit einem Apostelbarte und grauem Kopfe, war der alte Kutscher. Sie sahen sehr unternehmend aus. Agathe ging voran und Hendrik folgte mit den dienstbaren Geistern. Der Zug ging zuerst nach dem Hause des Rathsherrn. Wir haben Agathe schon ankommen gesehen.

– Folgt mir, Mynheer! sagte die Alte mit sibyllinischer Kürze.

– Ich werde also Elizabeth – sehen – brachte der Ueberraschte hervor.

– Folgt mir nur! Macht Euch aber etwas unkenntlich. Legt Eure Staatskleidung ab und geht im Wamms mit; Eure Erscheinung könnte sonst Verdacht erregen.

– Das ist wahr! murmelte Slyker und legte rasch das überflüssige Zeug ab, setzte eine Mütze auf, nahm seinen Stock, aus Rücksicht auf eine podagristische Zehe, in die Hand und hinkte hinter der alten Dame her. Die Uebrigen folgten in einiger Entfernung.

Dame Agathe schritt wacker darauf los und vertiefte sich in entlegene Stadttheile.

– Immer fort! rief sie, wenn Slyker bedenklich still stehen wollte. Und er ging wieder. Bei einem niedrigen Häuschen bat sie ihn einzutreten. Sie blickte nochmals aus der Thür und nun drängten sich Hendrik und die Diener auch auf den engen Flur. Slyker hatte sich in eine Ecke geflüchtet. Der Inhaber des Hauses erschien mit einem Wachsstocke in der Hand; ein schöner, großer, verschmitzt sehender Mann, und lud die Gäste ein, näher zu treten.

– Allons! Mynheer! riefen Agathe und Hendrik, indeß die Diener die langen Stäbe aufhoben. In die Stube hinein!

Der arme Slyker mußte hervor und ging halb sein Geschick ahnend, mit einem bewegten Blicke auf das Heer seiner Feinde in das Zimmer. Der große bärtige Herr setzte sehr höflich einen Stuhl hin.

– Wem ist’s von Euch gefällig? fragte er, eine Zange von der Wand nehmend, wo mehre Instrumente eines Zahnarztes hingen.

Hendrik zog den Rathsherrn auf den Stuhl.

– Mir? Das glaube der Teufel . . . stammelte Slyker . . . Habe in meinem Leben keine Zahnschmerzen gehabt . . .

– Ihr habt jetzt Angst, sagte der Zahnbrecher, dann pflegt sich’s auf eine Minute zu geben aber heraus muß er, das ist so sicher wie Amen nach der Predigt.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 458. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/475&oldid=- (Version vom 1.8.2018)