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Es war draußen in einer der Vorstädte, wo sich ein altes, halb zerfallenes, langes Gebäude befand. Dies war eine Schmiede. Rembrandt hatte dies malerische Gebäude mit seinem noch viel malerischeren Treiben im Innern auf seinen Abendwanderungen längst herausgefunden. So oft er aber auch schon hinauspilgerte, um die Schmiede mit ihren Cyklopen zu zeichnen, so wenig waren die äußern Umstände günstig gewesen, um das Lebensbild in all den schlagenden Effecten zu zeigen, dessen dasselbe fähig war. An einem Frühlingsabende hatte Meister Rembrandt Pinsel und Palette von sich geworfen, seine getreue Pelzmütze abgelegt und sich, in seinen Marderpelz gehüllt, in einen Lehnstuhl an’s Kamin gesetzt. Er erwartete seine junge schöne Frau, welche in die Stadt gegangen war.

Als sie endlich erschien, beklagte sie sich über das Wetter, welches sie länger als gewöhnlich zurückgehalten habe.

– Regnet es etwa? fragte Rembrandt.

– Es fällt ein dichter, feiner Staubregen! erwiederte die schöne Jantje. Ich freue mich, daß Du nicht fortgehst, sondern den Abend bei mir verbringen willst.

– O, o, schöne Frau, sagte Mynheer Rembrandt. Nicht so voreilig. Laß hören: es ist etwa finster draußen?

– Sehr finster.

– Du hast nicht bemerkt, wie das Licht in den großen Laternen auf den Straßen aussieht?

– Doch, Paul; es brennt sehr trübe und sieht roth aus!

– Sehr gut, Frau! Und es ist noch nicht neun Uhr! Dann werden sie also noch arbeiten, und ich muß eilen, damit ich wenigstens heute Abend die Gelegenheit nicht verfehle . . .

– Wohin gedenkst Du, Mynheer? fragte die schöne Jantje ängstlich.

– Gieb mir meine Mütze und meine Mappe. Ich muß nach der Schmiede in der Vorstadt. Dann sind’s noch zwei Tage, mein Bild ist fertig und Jantje wird einige hundert Gulden mehr im Säckel haben.

Rembrandt hatte sich nicht getäuscht. Als er vor die Schmiede kam, stieß er einen Ausruf freudiger Ueberraschung aus. Die Dunkelheit draußen, die seltsam beleuchteten, arbeitenden Knappen am Ambos und vor der roth strahlenden Esse . . . Der Maler legte sich über die niedrige Unterthür und fing mit blitzenden Augen zu zeichnen an. Er warf einige Geldstücke in die Schmiede und veranlaßte die kräftigen, rüstigen Gesellen zu mehren Stellungen, wie er sie gebrauchte. Dann schlug er seine Mappe zu und blieb, mit Kennerauge Studien machend, schweigend und aufmerksam in der Thüre lehnen.

– Mynheer! wollt Ihr uns einen Augenblick Euren Platz abtreten? sagte ihm Jemand, indeß Rembrandt einen leichten Schlag auf seiner Schulter fühlte.

Zwei junge, bärtige Männer standen hinter ihm. Rembrandt erkannte das edle Antlitz Van Dyk’s und die entschiedenen Züge Van Schut’s. Er trat lächelnd zurück.

– Das willst Du malen? murmelte er für sich. Es ist Schade, daß Paul Rembrandt dies Bild ebenfalls gesehen hat.

Van Dyk fing sammt Schut zu skizziren an. Rembrandt blieb ruhig zur Seite stehen und sah der Arbeit zu. Er murrte unzufrieden.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 544. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/561&oldid=- (Version vom 1.8.2018)