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– Mynheer, mein Bild gefällt Euch nicht! sagte Van Dyk zur Seite blickend.

– Das ist kein Wunder! Malt das fertig, Meister, und es wird Euch selbst eben so wenig gefallen.

Damit ging Rembrandt fort.

– Kennst Du den Mann? fragte Schut den Freund.

– Ich kenne ihn nicht! Aber dieses breite Gesicht muß etwas von der Sache verstehen; denn ich sehe mich genöthigt, eine andere Skizze zu entwerfen, will ich die Beleuchtung so scharf fassen, wie ich es beabsichtigte.

Drei Tage später standen Van Dyk und Schut vor Rembrandt’s Wohnung. Seine „Schmiede“ war ausgehängt.

– Was sagst Du dazu, Freund? fragte Van Dyk. Dieser Mann malt ein Helldunkel, wie es Rubens und Correggio verstehen, aber er übertrifft sie weit an Keckheit und Kühnheit der Lichter. Dies düstere Bild ist ein Meisterstück ohne Gleichen. Komm, Schut, wir werden den Künstler sehen. Ist der Einsame zu stolz, um uns aufzusuchen, so soll er gewahr werden, daß Van Dyk wenigstens Künstler genug ist, um vor seinem Genie den Hut zu lüften. Dies Bild und meine „Schmiede“! Ich werde dies Bild besitzen und sollte ich dasselbe für mein bestes Stück eintauschen müssen!

Schut aber ging eigensinnig fort. Van Dyk trat bei Rembrandt ein.

– Ich bin Van Dyk, Meister! sagte der schöne Maler, dem kleinen fetten Paul die Hand entgegenstreckend. Ich will Euch begrüßen, um etwas von Euch zu lernen. Wißt Ihr, meine Schmiede taugt wirklich nichts, deshalb komme ich, um mir die Eurige zu holen. Ich biete Euch eins von meinen Gemälden dafür an; Ihr dürft zu mir kommen und Euch aussuchen, welches Ihr wollt.

Rembrandt, so gefaßt, widerstrebte nicht länger. Er zeigte seine Bilder, vertheidigte seine Manier, dem Anstreben von Großem, Ungewöhnlichem gegenüber, und nahm endlich Van Dyk’s Arm und ging mit ihm in dessen Atelier.

Rembrandt beachtete die Bilder, in welchen etwas von der Grazie, von der himmlischen Anmuth Raphael’s sich zeigte, nicht; er ging kalt vor den reichen, ideellen Compositionen seines Kunstgenossen vorüber und lobte nur hier und da die gelungene Technik; er bekümmerte sich nicht um die Stücke, in denen der junge Van Dyk die menschliche Seele in den verschiedenartigsten Lagen und Zuständen zu malen versucht hatte.

– Gebt mir dies Bild für meine Schmiede und ich bin zufrieden! sagte Rembrandt endlich, auf die „Schnitter“ (Les moissonneurs dans les Flanders) zeigend, welches Bild sich noch auf der Staffelei befand. Die Schnitter waren ein Lebensbild, in welchem Rembrandt etwas ihm Verwandtes auffand. Es war unvollendet.

– Dies ist die schlechteste meiner Arbeiten! sagte Van Dyk. Sucht eine andere, Mynheer.

– Die beste, sagt lieber; hier habt Ihr die Wirklichkeit nahezu getroffen.

– Aber ich will nur künstlerische Wahrheit, Meister Rembrandt!

– Ihr wollt über die Natur hinaus und erreicht sie nie, erwiderte Paul Rembrandt. Sie, nur sie ist die ewige Mutter aller Kunst. Sie kann schaffen; der Mensch nie. Er kann

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 545. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/562&oldid=- (Version vom 1.8.2018)